KURT EICHENWALD: "VERSCHWÖRUNG DER NARREN"

Es war einmal ein mittelprächtiges Pipeline-Unternehmen in den USA namens Enron, das sich jedoch bald weltweit betätigte und einen märchenhaften Aufstieg erlebte. Mehr mit Geschäften allerdings als mit echten Investitionen stieg es rasant auf bis zum siebtgrößten Unternehmen der USA. Im August 2000 erreichte die Company, die für das beste Management und die meisten Innovationen gerühmt wurde, einen Aktienwert von 73 Milliarden Dollar. Ein Jahr später waren es sogar schon 100 Milliarden und die Quartalsdividende im Oktober 2001 lag 26 Prozent über der vorherigen. Sechs Wochen später meldete Enron seinen Bankrott an.

Vielleicht war es wirklich nur eine Mitarbeiterin gewesen, die mit einem anonymen Brief den Kollaps einläutete. Doch Enron steht für einen echten Wirtschaftsskandal, bei dem offenbar ein krummes Ding nach dem anderen gedreht wurde, bis das gigantische Kartenhaus zusammenfiel. Dass hier jedoch nicht clevere Manager Pech mit einer genialen Masche hatten, sondern das Ganze wirklich ein faustdicker Wirtschaftskrimi ist, bei dem die obersten Chefs jetzt unter Anklage stehen, das schildert Kurt Eichenwald, renommierter Wirtschaftsjournalist der "New York Times", in seinem voluminösen Buch "Verschwörung der Narren".

Drei Jahre intensives Recherchieren, unendliche Mengen an konkret untersuchten Details und zahlreiche Interviews mit teils hochrangigen Involvierten geben diesem im Sinne des Wortes Non-Fiktion-Roman den fundierten Unterbau. Als sei es fantasievoll erfunden, beschreibt Eichenwald, wie vor allem die Topmanager Ken Lay und Jeffrey Skilling weniger mit krimineller Energie als mit blanker Gier, Größenwahn und Selbstgefälligkeit zum Erfolg streben. Ihr rücksichtsloses Machtstreben wird dabei nur noch durch ihre unfassbare Unfähigkeit übertroffen, wobei ihnen als entscheidender Dritter im Bunde Finanzchef Andrew Fastow als schurkischer Drahtzieher gegenüber der Finanzwelt zur Seite steht.

Ebenso spannend wie akribisch genau enthüllt Eichenwald das atemberaubende Spekulationssystem, bei dem Unternehmertum nur noch auf dem Papier stand und alles nur nach Aktienkursen schielte. Im Endeffekt blieben die drei Milliarden Dollar, die das ureigene Pipeline-Unternehmen wert war, ansonsten war da nur Papier und Spiegelfechterei und die Implosion des Riesen hinterließ neben Milliardenschäden auch noch zehntausende von Arbeitslosen. Aufstieg und Fall von Enron sind Stoff für ein opulentes Epos und trotz ihrer Fülle – ein wenig Sinn für Wirtschaftsvorgänge vorausgesetzt – hochspannend, zumal der Autor die wahre Geschichte ausgesprochen plastisch darstellt.

Dem Roman kommt dabei zugute, dass er anders als das ähnlich denkbare Sachbuch zum Skandal so mit fiktiven Umsetzungen arbeiten darf, dass das Alles wie ein riesiger Wirtschafts-Thriller genießbar ist. Wenn dann in den nächsten Monaten manches kaum Glaubliche durch die Prozesse gegen die Verantwortlichen bestätigt wird, erhöht das nur noch das Lesevergnügen.

 

 

# Kurt Eichenwald: Verschwörung der Narren. Eine wahre Geschichte (aus dem Amerikanischen von Helmut Dierlamm, Anne Emmert, Thomas Pfeiffer); 848 Seiten; C. Bertelsmann Verlag, München; € 24,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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