CHUCK PALAHNIUK: "DAS LETZTE PROTOKOLL"

Chuck Palahniuk ist längst Kult geworden und nach dem makabren "Lullaby" legt der US-Erfolgsautor nun erneut eine hintergründige Parabel über die moderne menschenverachtende Gesellschaft vor, die es in sich hat. Einst machte Peter Wilmot, Gammelstudent aus wohlhabender Familie, der dicklichen Kunststudentin Misty gleich bei der ersten Begegnung einen Heiratsantrag und sie war der Hoffnung auf Erfüllung eines typischen amerikanischen Traumes umgehend erlegen.

Doch Peter, in Uni-Kreisen als Rammler verschrien und mit allerlei schrägen bis unerfreulichen Macken behaftet, bringt Misty kein Glück. Stattdessen muss sie als Kellnerin für sich und die störrische Tochter den Unterhalt verdienen, seit Peter nach einem unsachgemäßen Selbstmordversuch im Koma liegt. Und wenn die deprimierte Misty, die sich statt mit der geliebten Malerei längst nur noch mit Alkohol und Pillen aus dem Alltag zu stehlen versucht, dann fließt all ihre Wut und Verzweiflung in das Koma-Tagebuch, das sie jetzt mit quälend akribischer Genauigkeit schreibt.

"Das letzte Protokoll" lautet der deutsche Titel und Misty spricht darin zu dem gehassten und geliebten Peter in distanzierter dritter Person singular und bezeichnet sich in grimmigem Sarkasmus als "originales zänkisches Miststück". Während Peter als "hirntotes Etwas" vor sich hinvegetiert, geschehen zunehmend absurde Verwandlungen zwischen Wahn und Wirklichkeit und Misty beginnt wie eine Besessene wieder mit der Malerei, mysteriöse Warnungen missachtend, schließlich: "Jeder liegt in seinem persönlichen Koma."

Hatte Palahniuk bisher schon mit seiner brillanten ungnädigen Sprache voller Witz und berserkerhafter Detailfreude an eine Mischung aus Charles Bukowsky und Stephen King erinnert, kommt nun noch eine subtil beklemmende Portion Kafka hinzu mit der düster fatalistischen Grundfrage: "Warum tun wir, was wir tun?" So geht dieser Psychotrip tief unter die Haut und er ist wahrlich keine sanfte Bettlektüre, sondern ein herbes Stück anspruchsvoller Literatur.

 

# Chuck Palahniuk: Das letzte Protokoll (aus dem Amerikanischen von Werner Schmitz); 284 Seiten; Manhattan Verlag, München; € 19,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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