DBC PIERRE: "JESUS VON TEXAS"

Vernon Gregory Little ist knapp 16, wohnt in dem texanischen Städtchen Martirio und hat ein Riesenproblem: sein bester Freund Jesus Navarro ist durchgeknallt und hat in seiner Schule 18 Menschen und sich selbst erschossen. Für Vernon heißt es da im Sinne des Wortes 'Shit happens', denn wer soll ihm glauben, dass er nur deshalb überlebt hat, weil er gerade zur Tatzeit einen plötzlich Stuhldrang hinter der Turnhalle erledigt hat?! Nun sitzt der Ich-Erzähler im Sheriff-Büro, wird als Mittäter verdächtigt und draußen kocht die Volksseele samt Medienmeute.

"Jesus von Texas" heißt der Erstling des Australiers DBC Pierre, der für diesen berserkerhaften Roman den Booker-Preis 2003 erhielt. Vernon hat in seiner ebenso naiven wie direkten Art nicht nur mit Polizei und Glaubwürdigkeit Schwierigkeiten, sein direktes Handicap ist seine oberpeinliche Mutter, von der er ohnehin das Gefühl hat, dass sie ihm bei der Geburt ein Messer in den Rücken gestoßen hat, mit dem sie dort bis heute genüsslich rumstochert. Nun aber kommt noch die Falschheit und Gier der Presseleute hinzu, allen voran TV-Mann Lally, der für den richtigen Knüller sogar im Sinne des Wortes seine eigene Mutter verleugnet.

Wie dumm, dass sich Vernon immer mehr verstrickt, obwohl er doch rundum ein unschuldig Gejagter ist. Was kann er dafür, dass Jesus zuletzt Mädchenhöschen trug und mit Kant philosophierte ohne ihn zu verstehen. Schlimm genug, dass Mutter Little ihn wie einen Idioten behandelt und seine Verdauungsprobleme herumerzählt. Und dann noch ihre schrecklichen Freundinnen mit dem 'Skandalradar' für gutes Timing. Da sind es schließlich nicht einmal nur die fiesen Erwachsenen allein, die ihn in Teufels Küche bringen. Wobei Mutter dem allen noch ein perverses Krönchen aufsetzt, als sie für den zum Tode Verurteilten liebevoll die Henkersmahlzeit zusammenstellt, bei der ein bisschen Krautsalat nicht fehlen darf: "wegen der Gesundheit."

Eine kranke, chaotische Welt dort im texanischen Kleinstadt-Absurdistan und der Ich-Erzähler entlarvt ihr hässliches Gesicht mit herzerfrischend drastischer Sprache. Da wird der beißende Humor oft wütend und bitterböse bis finster, dann wieder wird es so brachial satirisch, dass einem selbst bei absolut schrägen Szenen fast das Lachen im Halse stecken bleibt. Ein Roman, der bei aller Sozialkritik bis zum grandios knalligen Finale ein spannender Lesespaß bleibt, nicht zuletzt dank einer hervorragenden Übersetzung.

 

 

# DBC Pierre: Jesus von Texas (aus dem Englischen von Karsten Kredel); 383 Seiten; Aufbau-Verlag, Berlin;

€ 19,90 WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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