KONSTANTIN WECKER: "TOBE, ZÜRNE, MISCH DICH EIN!"

Er ist ein Sänger, ein Musiker und er ist ein Moralist, der bei hoher Sprachgewalt kein Blatt vor den Mund nimmt: Konstantin Wecker. Und er ist einer, der sich einmischt, wenn er es für nötig hält und nicht erst, wenn es schon viele tun. Wie zuletzt im Irak, wohin er am 5. Januar 2003 mit Mitgliedern der Gesellschaft "Kultur des Friedens" aus Tübingen reiste. Nicht wegen sondern trotz Saddam Hussein. Und zu einer Zeit, als sich noch kaum Protest gegen die kriegslüsterne US-Regierung regte. Natürlich griffen ihn die Zyniker und Besserwisser an, hämten ihn als Promi-Gutmenschen mit Einmisch-Syndrom.

Nun hat Hans-Dieter Schütt die Widerreden und Fürsprachen des ungebärdigen Freigeistes herausgegeben, der kongeniale Titel: "Tobe, zürne, misch dich ein!" All das tut er ja fortwährend, aus klarstem Kopf und tiefstem Herzen, wie einige sehr eingehende Interviews in dem Buch zeigen. So wehrt er sich mit offener Kritik an diesem derzeitigen Rückwurf auf die Hochkultur der durchtrainierten Egoisten.

Doch Wecker berichtet nicht nur über die bewegenden fünf Tage in Bagdad, er mahnt auch, sei es in seinem fiktiven Brief an seinen nicht-fiktiven Paten-Sohn Amir im Irak, sei es mit Gegenpositionen zur allgemeinen Hysterie nach dem 11. September 2001, wo er auch andere kritische Stimmen wie die von Susan Sonntag zitiert. Und nicht zuletzt wird er bissig satirisch, wenn er den Irakern die lang vermissten Freuden der Befreiung prophezeit, als da sind der freie Genuss von Hamburgern, CNN und Schwarzenegger-Filmen. Aber: nicht überall, wo Demokratie draufstehe, sei auch welche drin.

Ein wichtiger und höchst aufschlussreicher Teil des Buches sind außerdem die Tagebuch-Seiten, Momentaufnahmen, die ursprünglich nicht für eine Veröffentlichung vorgesehen waren. Wer da womöglich den Moralisten Konstantin Wecker verdächtigen wollte, den Terrorimus zu verharmlosen oder gar zu unterstützen, dem sei seine Feststellung entgegen gehalten: "Der Terrorismus untergräbt die Moral und er untergräbt die Vernunft." Und unter dem 11 September 2001 heißt es im Tagebuch unter anderem: "Wie verblendet und von Hass verbrannt muss man sein, um sich zum Massenmord berechtigt zu fühlen?"

Wecker schreibt, redet und singt an gegen die seit jenem Fanal neu eingesetzte politische Blindwütigkeit bleibt dabei jedoch jederzeit erfrischend undogmatisch. Er bleibt sich treu, also emotional, subjektiv, impulsiv und ohne auf 'political correctness' zu achten, kurzum – glaubhaft. Vieles rüttelt auf und seine Forderungen tragen den Grundtenor, nicht schon feige zu sein, bevor es nötig ist. Auch deshalb ist dieses Buch gewiss eines der wichtigsten dieses Jahres und mag Konstantin Wecker auch noch so viele Gegner und Feinde haben, in einer Erkenntnis kann ihm niemand widersprechen: "Der Pazifismus hat viele Fehler – aber es sterben weniger Menschen dabei...."

 

# Konstantin Wecker: Tobe, zürne, misch dich ein! (herausgegeben von Hans-Dieter Schütt); 224 Seiten, div. Abb.; Eulenspiegel Verlag, Berlin; € 12,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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