ANTONY BEEVOR: "BERLIN 1945. DAS ENDE"

"So wird Berlin eines Tages auch aussehen!" sagte ein russischer Offizier in der rauchenden Trümmerlandschaft Stalingrads. Als die sowjetischen Truppen am 20. Januar 1945 die deutsche Reichsgrezne erreichen, ist es so weit: Berlins Untergang steht bevor, noch schlimmer, noch grausamer, denn millionenfaches Leid in Russland fordert einen beispiellosen Rachefeldzug heraus.

Antony Beevor, ehemals britischer Offizier, schildert das Zusammenbrechen der Ostfront, den Wahnsinn im Führerbunker und das Grauen, das über die Zivilbevölkerung hereinbrach. "Berlin 1945. Das Ende" ist der angemessene Titel, denn genau das ist es, was über der Reichshauptstadt mit einer Katastrophe hereinbrach, wie sie in der Geschichte fast beispiellos ist.

Der Militärhistoriker beleuchtet zunächst die Situation im Vorfeld zu Weihnachten 1944, als sich Sowjettruppen mit vier Millionen Mann und ungeheurem Potenzial an Waffen und Munition zum größten Militäraufmarsch der Geschichte sammeln, während beim geistig und körperlich verfallenden Hitler der Realitätsverlust über die Bedrohung immer grotesker wird. Eine Vorahnung dessen, was das Reich und seine Menschen zu erwarten haben, schildert Beevor mit den Schreckensbildern von der hasserfüllten Soldateska im eroberten Ostpreußen, die sich mit brutalster Gewalt gegen alles Deutsche und in wahren Vergewaltigungsorgien austobte.

In einer Vielzahl von Perspektiven und Schauplätzen sorgt der Autor für eine dichte, sehr plastische Athmosphäre mit exakten Beschreibungen einzelner Kampfhandlungen, aber auch verschiedenster Exzesse. Denen stehen die teils kalt überlegenden, teils von rücksichtslosem Ehrgeiz angestachelten Planungen Stalins und seiner Armeeführer, aber auch die immer mörderischeren Befehle der Nazi-Führung gegenüber, die ein erschreckendes Ergötzen am Untergang mitsamt des verachteten eigenen Volkes ahnen lassen.

Wie schon bei seinem erfolgreichen Buch über die Schlacht von Stalingrad konnte Beevor auch hier wieder bisher kaum zugängliche umfangreiche Materialien aus Moskauer Archiven auswerten. Das untermauert die Aussagekraft vieler bisher für übertrieben angesehener Schreckensberichte auf erschütternde Weise. Manche Episoden sind in der Unmenschlichkeit der beschriebenen realen Ereignisse fast unerträglich und doch real. Es ist das Recht aber auch die Pflicht des insgesamt sehr fairen Berichterstatters, dass er die jahrelangen Greueltaten der deutschen Eroberer in der Sowjetunion anklingen lässt, um die Vergeltungsbedürfnisse der sowjetischen Soldaten zumal in der Stunde des durchaus verlustreichen Triumphes verstehbar zu machen.

In packendem Stil schildert Beevor die brutale Wucht der Eroberung Berlins, aber auch die unzähligen verbissenen Kämpfe bis dahin und bis zum endgültigen Schweigen der Waffen. Nicht ausgespart werden die makabren letzten Stunden im Führerbunker. Mag es auch kleinere unnötige Ungenauigkeiten geben, dieses Buch ist in seiner detaillierten Fülle allemal als ein Standardwerk der Geschichte des Zweiten Weltkrieges anzusehen und war in dieser Gesamtsicht über den Untergang der Nazi-Diktatur in ihrem Zentrum längst überfällig.

 

   

 

# Antony Beevor: Berlin 1945. Das Ende (aus dem Englischen von Helmut Ettinger); 544 Seiten, div. Abb.; C. Bertelsmann Verlag, München; € 26

WOLFGANG A . NIEMANN (wan/JULIUS)

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