GÜNTER BAUCH (Hrsg.): "POLITISCH NICHT CORRECT"

"Politisch nicht correct" nennt Günter Bauch die von ihm passend zur laufenden "Vaterland"-Tournee herausgegebenen Texte und Fotos von und mit Konstantin Wecker. "Politisch nicht correct" könnte auch das Motto für Weckers Gesamtwerk lauten und das hat viel zu bedeuten bei einem Künstler, der Worte so genau abwägt wie er und der darüber hinaus ein wahrer Meister der wortgewaltigen, schlagfertigen und zuweilen ätzend scharfen Formulierung ist.

"Konstantin Wecker im Gespräch" - so der Untertitel - ist nie ein Leisetreter gewesen, war und ist kantig, ungebärdig, leidenschaftlich und immer unter Dampf. Doch trotz seiner wuchtigen Körperlichkeit und Emotionalität - Wecker ist ein Kopfmensch durch und durch: "Der Herrgott hat mir eine kräftige Statur gegeben und den Auftrag, immer etwas intensiver in Dinge einzusteigen, als es andere Leute tun." Neben hoher Kreativität als Komponist und Liedermacher und jener geradezu berserkerhaften Bühnenpräsenz mit ein Grund für seine exzessive Lebensweise.

Einerseits führte das früh dazu, dass nicht nur über ihn geschrieben sondern er auch zum geschätzten Interviewpartner selbst angesehenster Zeitungen wurde. Andererseits aber bescherte es ihm auch den Drang zu Grenzüberschreitungen. Da bekennt der 1995 wegen seiner Kokainsucht schwer abgestürzte Künstler, dass er nicht verführt worden sei, sondern diese Droge, ihre bewusstseinserweiternde Wirkung gewollt habe. So stolperte der ausgewiesene Moralist, der sich schon 1979 im Interview mit der "ZEIT" gegen alle Systeme vom Kommunismus bis zum Kapitalismus aussprach, über eine offensichtliche Sünde, die er sich genehmigte, obgleich er ansonsten gerade sich selbst gegenüber strenge Moralvorstellungen hat - aber eben ganz als Kopfmensch, der sich vom Körperlichen ebenso befreien wollte, wie er auch sonst jede Form von Abhängigkeit ablehnt.

Doch Wecker steht zu seinem Sündenfall und sieht ihn als wichtige Erfahrung an. Und als Wende zu einer neuen Weltsicht, verbunden mit dem Verlust des Größenwahns einschließlich des Wahns, mit jeder Art Droge umgehen zu können. Geblieben ist er jedoch ein Sinnsuchender und ein Gottsuchender, der erklärt, er sei identisch mit sich selbst. Und so ist denn auch sein Interview vom Juni 2001 mit dem Pfarrer Stephan Wahl ein besonders spannender und aufschlussreicher Teil dieses von großer Offenheit geprägten biografischen Werkes. Der Geistliche zeigte sich sehr beeindruckt vom Gedicht "Lieber Gott", in dem sich einmal mehr der ganze Wecker offenbart. Dieses tiefgehende Gedicht ist ein Zwiegespräch mit Gott auf dem Pissoir, das ebenso irritiert wie fasziniert.

Das auch grafisch hervorragend aufgemachte Buch enthüllt einen ungewöhnlichen Künstler und Menschen, der es dem Leser nicht leicht macht mit seiner rigorosen Moral, zumal sich seine schwergewichtigen Maximen zuweilen auf dünnem Eis bewegen. Gleichwohl stimmt man diesem Liedermacher mit der noch immer ungeheuer starken Wirkung gern zu, wenn er ganz ohne Koketterie sagt: "Es wäre schade, wenn's mich nicht geben würde."

 

# Günter Bauch (Hrsg.): Politisch nicht correct - Konstantin Wecker im Gespräch; 159 Seiten, 143 sw-Fotos, Großformat; Döll Verlag, Bassum; € 29.65/58,00 DM

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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