ROBERTO BOLANO: "DIE WILDEN DETEKTIVE"

Wer an linksintellektuellen Spinnern, Katastrophikern, Politnostalgikern und Pseudo-Literaturhelden ein Vergnügen hat, der kommt bei Roberto Bolanos "Die wilden Detektive" voll auf seine Kosten. Er baut um die beiden Jungliteraten und Begründer des so genannten Realviszeralismus Arturo Belano und Ulises Lima ein aberwitziges Kaleidoskop von teils schrägen, teils mysteriösen und teils schlicht zwielichtigen Gestalten auf im Mexico-City der 70er Jahre.

Der Ich-Erzähler Juan Garcia Madero stolpert als 17-jähriger Jura-Student in die Szene der Möchtegern-Literaten und weiß nicht so genau, was der viszerale Realismus ist. Der Leser erfährt Genaueres aus dem Tagebuch, das der Vollwaise schreibt. Er wächst bei den Großeltern auf und soll Rechtsanwalt oder noch besseres werden. Doch als er die verwuselten Thesen der Schriftsteller in den Cafes hört, wirft er hin und wird umgehend selbst Dichter. Oder Viszeralist, oder beides.

Schon ist er mittendrin im Gewese der jungen wilden Literaten, die mit ihrer neuen Literatur und einer neuen Lebensphilosophie die Welt erobern wollen. Dem Ich-Erzähler gelingt das zumindest erst mal bei den Cafehaus-Kellnerinnen in der Hauptstadt. Ansonsten wird allenthalben gedichtet und diskutiert und noch lieber über den richtigen Weg gestritten. Und immer wieder wird alles mit herrlich boshafter Satire durch den Kakao gezogen, seien es die irgendwie verrückten Jungliteraten, sei es die verlorene Generation lateinamerikanischer Intellektueller oder sei es der Literaturbetrieb insgesamt.

Es ist eine irreale Welt, die sich auf Buchhandlungen, Cafes und einige Häuser beschränkt und beschränkt sind auch die Dichter in ihrem Wahn, denen selbst die Utopien zu Schimären schrumpfen, wenn Sex, Drogen und Revolutionsgehabe nicht mehr weiterhelfen. Da paaren sich Komik und Verzweiflung, Parodie und Melancholie auf einer Odyssee des Paradoxen, die ihr Finale in der Wüste von Sonora findet. Schließlich ist das Schreiben von Büchern eigentlich eine lachhafte und unsinnige Beschäftigung. Oder?

Dieser extreme Roman des preisgekrönten Exil-Chilenen Bolano ist sprachlich eine Herausforderung und zugleich ein Meisterwerk. Man sollte jedoch selbst ein wenig viszeralistisch sein, um das richtig genießen zu können. Oder vielleicht doch eher anti-viszeralistisch?

 

 

# Roberto Bolano: Die wilden Detektive (aus dem Spanischen von Heinrich von Berenberg); 684 Seiten; Carl Hanser Verlag, München; € 29,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

 

Dieses Buch bei Amazon.de bestellen.


Kennziffer: Bel 151 - © Wolfgang A. Niemann - www.Buchrezensionen-Online.de