EGMONT R. KOCH: "WAGNERS GESTÄNDNIS"

 Da geht ein junger Tischlergeselle aus ärmlichen Verhältnisses mit 18 zum SS-Totenkopfsturmbann "Elbe", wird KZ-Aufseher und heiratet evangelisch. Im Krieg wird er in verschiedenen KZs zum Kriegsverbrecher und taucht zum Kriegsende mit neuer Identität als Spion des amerikanischen CiC wieder auf.

 Dann heiratet er katholisch und geht mit der französischen Ehefrau als angeblicher Ingenieur in die DDR, bevor er in der Bundesrepublik eine Karriere als Betrüger und Heiratsschwindler beginnt. Bis er sich nach Israel absetzt und dort das Herz einer polnischen Jüdin erobert, mit der er nun 15 Jahre lang als angeblicher Holocaust-Flüchtling und angesehenes Mitglied der jüdischen Gemeinde im venezolanischen Caracas lebt.

 Eine zu dick aufgetragene Filmgeschichte? Absolut nicht, denn das ist die unglaubliche aber wahre Geschichte des Hans Wagner alias Günter Reinemer, dem SS-Mann, der skrupellos und gewieft genug war, sich ausgerechnet als Jude zu tarnen. Erst 1988 flog er auf - eine Betrügerei zu viel - und die Ermittler hatten Mühe, all das zu glauben, was ihnen der scheinbar so seriöse alte Herr da auftischte.

 "Wagners Geständnis", so der Titel dieser Biografie, die der renommierte Journalist Egmont R. Koch penibel recherchiert und spannend aufbereitet hat, ist eine Ungeheuerlichkeit, wie sie wohl nur die Wirren der Kriegs- und Nachkriegszeit erzeugen konnten. Stück für Stück wird die endlose Lebenslüge eines Mannes aufgedeckt, der in seinem Egoismus im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen ging und jeden betrog oder umgarnte, der ihm von Nutzen schien. Die Zahl seiner Frauengeschichten lässt sich nur ahnen und falls er tatsächlich auch mit der jüdischen Witwe verheiratet war, wäre er quasi nebenher auch noch ein dreifacher Bigamist gewesen mit amtlich bekannten fünf Kindern gewesen.

 Die gleichnamige Fernseh-Dokumentation im Frühjahr stieß auf weltweites Interesse. Dieses Buch jedoch erweitert das Gezeigte um vielerlei Details, manche abstruse Nebenhandlungen und um einen reichhaltigen Fundus an aufschlussreichen Fußnoten. Ganz abgesehen davon, dass "Wagners Geständnis" eine Biografie ist, wie sie ein Romanautor nicht verrückter hätte erfinden können.

   

 

# Egmont R. Koch: Wagners Geständnis - Wie sich ein SS-Mann als Jude tarnte; 384 Seiten, div. Fotos; C. Bertelsmann Verlag, München; € 24

WOLFGANG A. NIEMANN  (wan/JULIUS)

 

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