CLAIRE MESSUD: "UND DAZWISCHEN DAS MEER"
"Und dazwischen das Meer" heißt Claire
Messuds neuer Roman und mit dem, was es trennt, meint sie Algerien und Frankreich. Die
Amerikanierin ist selbst Tochter eines Algerienfranzosen und eine echte Pied-Noir-Familie
steht auch im Mittelpunkt des Geschehens um die anfangs 14-jährige Sagesse LaBasse. Es ist ein flirrender, fast verspielter Einstieg in
die bewegte Familiengeschichte, den die Ich-Erzählerin schildert. Es ist Sommersaison im
vornehmen Hotel Bellevue oberhalb von Nizza, das Großvater Jacques einst gegründet hat
und zum Leidwesen des willensschwachen Sohnes noch immer mit strenger Hand führt. Sagesse
genießt das Laisser-Fair mit den gleichaltrigen Kindern der Gäste. Die toben auch
nächstens noch gern am Swimmingpool, während sich Sagesse inzwischen lieber mit dem
wenig älteren Thibaud absetzt. Wie an diesem Abend, der so vieles auslösen soll:
oberhalb des Pools liegt sie mit ihm verborgen und lässt sich erstmals küssen und auch
schon recht intim berühren, da zerreißt ein Schuss die lauschige Nacht und im Geländer
über den Beiden schlägt eine Gewehrkugel ein. Großvater Jacques hat wegen des Lärms am
Pool die Nerven verloren. Mit Folgen für die gesamte Familie, die über die baldige
Gefängnisstrafe für ihn weit hinausgehen. Die Heranwachsende seziert mit der
alterstypischen unbarmherzigen Mischung aus Wissbegierde und dem Widerwillen gegenüber
den Alten die schwerwiegenden Veränderungen in der Familie. Und sie deckt dabei manche
angestrengt verborgenen Geheimnisse auf, die sie mit viel Einfühlungsvermögen schildert. Da ist die Vergangenheit im verlorenen Algerien, die
die Großeltern aber auch den Vater geprägt hat. Da sind die kleinen menschlichen aber
auch herzlosen Fehltritte, die ihre Spuren hinterlassen haben. Ausführlich lotet Sagesse
die Stimmungen zwischen den Menschen aus, enttarnt alte Familiengespenster und spannt
einen elegant geknüften Bogen zwischen ihrem Erwachsenwerden und jener Fassade der
wohlanständigen Familie, die zunehmend bröckelt. Es ist eine bewegende Geschichte, die
auch von der facettenreich beschriebenen Athmosphäre des mediterranen Sommers und der
geschickten Dramaturgie der Autorin lebt. "Und dazwischen das Meer" ist ein eher
langsamer Roman, nachdenklich und dennoch von nie nachlassender subtiler Spannung. |
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# Claire Messud: Und dazwischen das Meer (aus dem
Amerikanischen von Christiane Filius-Jehne); 592 Seiten; Kiepenheuer & Witsch, Köln;
46,90 DM (öS 342.-/sFr 42.90/ 24,50) WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS) |
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Kennziffer: Bel 108 - © Wolfgang A. Niemann - www.Buchrezensionen-Online.de |