GILLIAN SLOVO: "ROTER STAUB"

"Roter Staub" ist ein ungewöhnlicher Roman über Gerechtigkeit und Wahrheit und auf beklemmende Weise auch über die Intimität zwischen jenen Menschen, die aus der schrecklichsten aller Beziehungen ein Band geknüpft haben, wie es an einer Stelle heißt. Es ist ein längst überfälliger Roman über die Institution der Wahrheitskommissionen, wie es sie nur in Südafrika gibt.

Gillian Slovo, selbst Tochter eines weißen Bürgerrechtlers, erzählt im Stile eines politischen Thrillers die Geschichte einer Verhandlung in der abgelegenen fiktiven Kleinstadt Smitsrivier. Ein alter Kämpfer gegen die Apartheid hat die junge Juristin Sarah Barcant aus den USA heimgeholt, denn vor der Kommission stehen die ehemaligen Polizeioffiziere Muller und Hendricks und ihnen gegenüber der inzwischen zum Parlamentarier aufgestiegene Schwarze Alex Mpolo.

Die inhaftierten Polizisten hatten einen "Antrag auf Amnestie gemäß Abschnitt 18 des Gesetzes zur Förderung der nationalen Einheit und Versöhnung 1995" gestellt. Danach soll der Antragsteller vor der Wahrheits- und Versöhnungskommission für die lückenlose Aufdeckung seiner Verbrechen im Namen der Apartheid sorgen - hier die Folterungen Mpolos und schließlich auch das nie geklärte Verschwinden des jungen Steve Sizelas. Vor allem Hendricks, im Knast als "Gefangener, wo er einst Gebieter war" und vom Jäger zum Gejagten geworden, fühlt sich gar auf seine Weise auch als Opfer.

Die Konfrontationen erschüttern alle Betroffenen, zumal Gefolterte unheilbar an ihrer Entfremdung von sich selbst leiden und eine widerwärtige Nähe zu ihren Peinigern verspüren, diese erzwungene und unvergessliche Intimität. Muss da Versöhnung nicht Illusion bleiben? Wie soll die vermeintliche Wahrheit Frieden erzeugen, wenn Gefühle wieder aufgewühlt werden, die in sich begraben schienen und nicht nur die damaligen Opfer seelisch in einen Abgrund führen?

"Roter Staub" ist ein beklemmender Blick zurück in die furchtbare Vergangenheit Südafrikas und selbst Sarah, der New Yorker Anwältin, gelingt es nicht, sich den alten Schrecken wenigstens innerlich zu entziehen. Gleich zwei Eigenheiten machen denn auch die Größe dieses ebenso wichtigen wie fesselnden Buches aus: die geradezu schmerzliche Klarheit, mit der die verschiedenen Sichtweisen der Hauptakteure für ständige Verschiebungen der Wahrnehmung sorgen und die Tatsache, dass die Geschehnisse fiktiv und dennoch absolut exemplarisch sind. Alles ist wahr, gleichwohl gibt es weder für die Folterer noch für ihre Opfer und die Helden nur die eine Wahrheit.

 

# Gillian Slovo: Roter Staub (aus dem Englischen von Uda Strätling); 333 Seiten; Antje Kunstmann Verlag, München; € 21.90 WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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