DAN TSALKA: "TAUSEND HERZEN"

"Erez Israel ist ein faszinierender Ort für jeden Menschen mit Seele". Das sagt Ezra Marinsky an einer Stelle des grandiosen Epos "Tausend Herzen", das in einem überreichen Bilderbogen von der Einwanderung der Juden in der dritten Einwanderungswelle nach Palästina und davon erzählt, wie diese Heimkehrer aus der weltweiten Diaspora daraus ihre neue Heimat formen.

Dan Tsalkas gewaltiges Werk beginnt mit der Fahrt des klapprigen Frachters "Ruslan", der 1919 Hunderte von Juden aus dem revolutionszerrissenen Russland ins Gelobte Land bringt. Es ist gewissermaßen die "Mayflower" des modernen Israel und Ezra Marinsky, der junge idealistische Architekt, ist einer der neuen Siedler. Sein Traum ist es, auf Sand und Ruinen neue Städte zu errichten. Doch erst einmal ist vieles anders als die Vorstellungen der Neuankömmlinge und einen riesigen Schritt ins das neue Leben bedeutet es bereits, nun den sephardischen Akzent gegen den aschkenasischen des hier vorherrschenden Hebräisch einzutauschen: wie das Ablegen der Kleidung der Diaspora.

Marinsky kommt als erster großer Architekt nach Tel Aviv und seine Lebensgeschichte ist ebenso exemplarisch wie die Fülle der anderen, vielfältigsten und zumeist tief beeindruckenden Einzelschicksale. Eine bunte Welt tut sich auf, prall von Leben in diesem einzigartigen Schmelztiegel der in Israel lebenden und der aus aller Welt dorthin strömenden Menschen. Der Blick geht bis weit zurück ins 19. Jahrhundert und zu Erzählungen von Dresden bis Samarkand, von Polen bis Südamerika.

Da fesseln Erinnerungen an ungewöhnliche Menschen wie den Major Schatten mit seinem Kampf auf sowjetischer Seite an der karelischen Front, seiner unmöglichen Flucht aus dem Arbeitslager nach Palästina, und Verhöre anderer Juden beim NKWD zur Zeit der stalinistischen Säuberungen offenbaren geradezu kafkaeske Züge. Unterlegt werden die mit einer Fülle an Kultur und Wissen verwobenen Schilderungen mit dem Auftreten historischer Persönlichkeiten wie Ben Gurion oder Mosche Dayan, um dem Ganzen noch mehr Authentizität zu verleihen.

Für die sorgt allerdings schon die Biografie Dan Tsalkas, der in Warschau geboren wurde, im Krieg mit den Eltern nach Kasachstan floh und nach der Heimkehr der Familie später nach Israel auswanderte. Und der vielfach preisgekrönte Autor schreibt ganz im jüdischen Stil geistreich, sprachverliebt mit vielen Dialogen sowie stets mit einem Hauch Melancholie und ironischem Fatalismus. Seine Fabulierkunst ist zuweilen von der Art, als hätten sich Tolstoi und Michener zu diesem Epos zusammengetan.

"Tausend Herzen" ist kein schneller Roman. Er braucht Geduld zum Genießen, wenn er den Leser auf lange Reisen mitnimmt, die jedoch immer wieder nach Israel führen. Wenn das Werk dann trotzdem mit einer Auswanderung endet, schließt sich dennoch lediglich ein großer Kreis, denn Ezra Marinskys Tochter verlässt die Heimat ja 'nur' aus Liebe zu einem Engländer. Ganz ohne den Zwang, die Furcht und das Elend ihrer Vorfahren.

 

 

# Dan Tsalka: Tausend Herzen (aus dem Hebräischen von Barbara Linner); 950 Seiten; Deutsche Verlagsanstalt, München; € 39,90 WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)   (wan/JULIUS)  

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