REINHARD URSCHEL: "GERHARD SCHRÖDER"

Reinhard Urschel ist politischer Redakteur bei der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" und seit 20 Jahren sehr vertraut mit dem heutigen Bundeskanzler, den er seinerzeit noch als ehrgeizigen kleinen Provinzpolitiker kennenlernte. "Gerhard Schröder" heißt nun das Buch, das er über den ersten Kanzler der 68er-Bewegung verfasst hat.

Eine Biographie nennt er das Werk über den Politiker, der trotz früherem Juso- und jetzigen SPD-Parteivorsitz so gar nicht dem Bild eines Verfechters linker Reformpolitik entspricht. Da erfährt man, wie "der arme Junge aus dem Lipper Land" sich nach oben kämpft, gegen viele Widerstände gerade auch aus den eigenen Reihen. Ein Taktiker sei er, der im Bedarfsfall seine Überzeugungen dem Wählerwillen unterordne, dabei intelligent und gewieft aber ohne intellektuelle Ader.

Helmut Schmidt war für den Teenager Schröder das große Vorbild und noch heute stehe ihm dessen Pragmatismus ungleich näher als links-gewirktes Gedankengut, lernen wir ebenso wie vieles vom Machtmenschen Schröder, der Krisen und Widerstände offenbar geradezu braucht, um zur Hochform aufzulaufen. Natürlich dürfen auch die Frauen in Schröders Leben nicht fehlen. Hier allerdings gibt es wenig wirklich Neues zu erfahren für fleißige Zeitungsleser. Vier Ehen scheinen zwar viel Munition für Gegner abzugeben, doch keine Geringere als Bayerns SPD-Ikone Renate Schmidt hält ihn dennoch für einen treuen Menschen – womöglich habe es außer diesen vier Ehefrauen kaum andere in seinem Liebesleben gegeben...

Der Autor ist detailfreudig und gibt den Blick frei auf manche Hintergründe der politischen Vita Schröders. Das ist interessant als Geschichte der SPD in den letzten Jahrzehnten und offenbart zuweilen tiefere Einblicke z.B. in Schröders Verhältnis zu Lafontaine, Scharping oder Rau. Wie arbeitet der Machtpolitiker und Krisenmanager, gibt es ein "System Schröder" – man erfährt vieles aus freundlich kritischer Journalistensicht, ein wirkliches Charakterbild mit umfassenden Nuancen sollte man jedoch nicht erwarten.

Vielleicht ist es noch zu früh für eine 'echte' Biografie, als Rückblick auf die bundesdeutsche Politik unserer Generation samt allerlei Anekdoten aus Bonner und Hannoveraner Zeiten unter Schröders Beteiligung aber ist dieses Buch eine interessante und aufschlussreiche Lektüre.

   

 

# Reinhard Urschel: Gerhard Schröder – Eine Biografie; 399 Seiten, div. Abb.; DVA, Stuttgart/München; € 22

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

 

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