AUDE YUNG-DE PREVAUX: "JACQUES UND LOTKA"

 "Jacques und Lotka" ist ein ungewöhnliches Buch, denn es beschreibt mehr als nur "Eine Liebe in den Zeiten der Resistance", wie der Untertitel erklärt. Das ist weit mehr als die tragische Liebesgeschichte von Jacques und Lotka de Prévaux, die sich leidenschaftlich liebten und beide als Helden des französischen Widerstands 1944 von der Gestapo hingerichtet wurden.

 Man stelle sich vor, mit 23 Jahren erzählt einem ein Unbekannter, dass die Eltern nicht die leiblichen Eltern sind. In Wahrheit seien dies eine schöne polnische Jüdin und ein Vizeadmiral der französischen Marine gewesen, die beide nur neun Monate nach ihrer Geburt umkamen: Jacques und Lotka. Eben dies passierte Aude Yung-de Prévaux 1966. Das und auch ihre akribischen Recherchen wären allein Stoff genug für einen spannenden Tatsachenroman – die eigene Lebensgeschichte völlig neu schreiben zu müssen nach einer einzigen schockierenden Meldung.

 Die Tochter hatte dabei das große Glück, dass ein Onkel eine ganze Kiste mit Unterlagen und Fotos für sie verwahrt hatte, darunter unzählige Liebesbriefe als Zeugnis einer großen Liebe. In einem davon schreibt Jacques seiner Lotka, von der er berufsbedingt oft getrennt war: "Wir werden die Grenzen des menschlichen Glücks erforschen." Das sollte sich in doppelter Hinsicht bewahrheiten.

 Die Kiste jedenfalls ist ein Segen für die junge Frau, denn die ultrakatholische adlige Familie des Vaters schweigt eisern, da Jacques seinerzeit wegen Lotka in Ungnade fiel, denn der angehende Kreuzer-Kommandant hatte sich wegen dieses attraktiven 17 Jahre jüngeren Mannequins scheiden lassen.

 Als er seine Lotka endlich heiraten konnte, war bereits der Krieg ausgebrochen. Der charismatische Offizier saß dann erst in Alexandria, dann in Toulon fest und wurde dort von Vichy-Frankreich als Marinerichter quasi ruhig gestellt. Doch er sympathisierte mit General de Gaulle und schließlich schlossen sich er und Lotka der Resistance an. Als "Vox" und "Kalo" leisteten sie wichtige Beiträge zur Befreiung Frankreichs. Dass sie dennoch fast in Vergessenheit gerieten, lag sowohl an der verbohrten Familie wie auch an der Marine, die dem Widerstand wenig Sympathie zollte und sich erst später zu hohen Ehrungen und seiner posthumen Beförderung zum Vizeadmiral durchringen konnte.

 Sie dem Vergessen endgültig zu entreißen, war dann die Triebfeder, die die Autorin später veranlasste, das Schicksal der Eltern öffentlich zu machen. Sie tut es mit der Sachlichkeit und der Versiertheit der gelernten Journalistin. Die Bewunderung, die dennoch deutlich wird, erschließt sich bald auch dem Leser dieser bewegten Doppelbiografie, die ein Romancier nicht hätte spannender erfinden können.

 

# Aude Yung-de Prévaux: Jacques und Lotka (aus dem Französischen von Giuliana Broggi Beckmann); 256 Seiten, div. Fotos; Kiepenheuer & Witsch, Köln; € 19,90

                  WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

Dieses Buch bei Amazon.de bestellen.


Kennziffer: NF 107 - © Wolfgang A. Niemann - www.Buchrezensionen-Online.de