KLIL ZISAPEL: "MEINE SCHWESTER, MEINE BRAUT"

"Meine Schwester, mein Braut" von Klil Zisapel ist ein ungewöhnlicher Roman, hoch erotisch, fesselnd und zugleich melancholisch mit einem Geschmack von erlesener zartbittrer Schokolade. Zwei junge Frauen verfallen einander in einer verzehrenden Amour fou auf den ersten Blick, obwohl beide nicht lesbisch sind.

Amit ist eine fleißige Studentin, wohnt seit Jahren mit Juval zusammen, lebt eher langweilig, empfindet sich als nicht sonderlich hübsch und neigt zur Eifersucht. Dani dagegen ist ein farbenfroher exaltierter Schmetterling, zierlich, unstet, eine Herumtreiberin mit wechselnden Lovern und fast immer irgendwie high. Und von einem charismatischen Charme, dem Amit rettungslos verfällt. Aber auch Dani verliebt sich und auch ihre Gefühle werden allmählich so zwingend, dass sie sogar ihr Grundsatz von der Liebe ohne Besitzanspruch aufgibt.

Vorläufig. Solange sie es nach dem jahrelangen Hedomismus aushält. Und sie bricht aus, denn ihr fehlt der Sex mit Männern. Ihre Erklärung für eine der vielen kleinen Tragödien, die sie trotz dieser Intimität von Geschwistern und Liebenden der inzwischen Zusammenlebenden immer wieder heraufbeschwört: "Aus Versehen wurde Frauenliebe zwei Heterosexuellen zugeschickt."

Schließlich endet die Liebe dort, wo der Roman begonnen hat, im fernen Indien, wohin Dani eines Tages auf der Suche nach neuen Grenzerfahrungen ausbricht. Amits Spurensuche ist vergebens, sie findet nur "ohrenbetäubende Stille".

So ungeheuer dicht, ja, körperlich nah, die Ich-Erzählerin dem Leser stets ist, so faszinierend hautnah zu spüren sind auch die Passagen, wenn die Autorin die ersten intimen Begegnungen der Frauen beschreibt, ganz und gar offen und dennoch kein bisschen schlüpfrig sondern von unausweichlicher Erotik. Mit geradezu verstörender Sprachgewalt, großer Bildhaftigkeit und ebenso feinen wie treffenden Metaphern ist der erst 1976 geborenen Autorin ein meisterhaftes Werk gelungen.

Mag der Roman auch überwiegend in der Tristesse Tel Avivs spielen, diese Welt der 'lost generation' ist nicht israelisch, es ist einfach das Lebensgefühl der jungen Generation mit ihrer ungebärdigen Direktheit, ihren Ängsten, Stärken und Süchten. Zeruya Shalev, Yael Hedaya und nun Klil Zisapel - sie sind großartige junge Schriftstellerinnen nicht Israels sondern der Gegenwart, die mit überschäumendem Talent und unangepasster Fantasie der immer noch männlich dominierten Gesellschaft die ebenso schönen wie scharfen Zähne zeigen.

 

# Klil Zisapel: Meine Schwester, meine Braut (aus dem Hebräischen von Stefan Siebers); 361 Seiten; Aufbau-Verlag, Berlin; 39,90 DM

(öS 291,00/sFr 36,80/€ 20,00)  WOLFGANG A. NIEMANN  (wan/JULIUS)

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