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DOMINIK GRAF: „SEIN ODER SPIELEN“
Dominik Graf wurde als Sohn des Schauspielerehepaars Robert Graf und Selma Urfer geboren. Da konnte es gar nicht ausbleiben, dass das seinen eigenen Lebensweg prägte. Und zu einer Karriere, die ihn als Schauspieler, Drehbuchautor und vor alles Regisseur zu großen Erfolgen führte.
Wenn er aus dieser Sicht nun einen stark autobiografisch gefärbten Rückblick verfasst, dann überschreibt er diesen mit „Sein oder Spielen. Über Filmschauspielerei“. Dass er als kompetenter Fachmann erzählt, lässt sich daraus schließen, dass der jetzt 72-Jährige nicht nur sei über 20 Jahren Professor für Spielfilmregie an der Internationalen Filmschule Köln, sondern auch der am häufigsten mit dem Grimme-Preis ausgezeichnete Filmschaffende ist.
Seine Herkunft sei übrigens schuld, wenn bei ihm Beruf und Leben, Spiel und Wirklichkeit unauflöslich verquickt seien: „Bis heute bei mir ein Kuddelmuddel“.“ Dieses Buch allerdings geht weit über sein eigenes Schaffen hinaus, denn er widmet sich kenntnisreich und detailliert dem Weltkino ebenso wie der Film- und Fernsehfilmkunst generell.
Mit offener Bewunderung schildert er einerseits Geniestreiche einiger großer Stars, allen voran Isabelle Adjanis ikonisches Spiel in „Ein mörderischer Sommer“ (1983) oder unvergessenen Highlights von James Dean in „Giganten“ (1955).
Graf gibt hinreißende Einblicke in die Arbeit und hinter die Kulissen, fundiert aber auch subjektiv. Vor allem aber auch, wenn er über sein eigenes Filmschaffen schreibt, tut er dies ausgesprochen selbstkritisch und uneitel. Wie zum Beispiel über Tatort-Folgen oder „Der Fahnder“ fürs Fernsehen und besonders spannend über den Dreh mit Götze George (am Set kein Star sondern ein Malocher) und Gudrun Landgrebe in dem hochklassigen Thriller „Die Katze“
Es fesselt immer wieder, wenn Graf vom set erzählt, von hinreißenden Tricks aber auch Zufallsergebnissen, die Unvergessliches hervorbringen. Viel Handwerkliches kommt zur Sprache von der Besetzung über die Schauspielerführung bis hin zu Mimik und Stimmlage. Das geht bis zum Wesen und Unwesen der Synchronisation.
Immer wieder stehen Meisterwerke der Filmkunst im Blickpunkt mit tiefen Einblicken in ihre Entstehung und Hintergründe. Zugleich zeigt dieser Bogen viele Streiflichter der Entwicklungen des westdeutschen Filmschaffens seit dem Kriegsende. Mit teils schonungslos kritischen Einordnungen.
Erst gegen Ende findet sich dann auch ein sehr privates Kapitel über seinen Vater Robert Graf (1923-1966), den eine schwere Kriegsverletzung sowie Krankheit und führer Tod von einer großen Karriere als Charakterdarsteller abhielten. So ist dieses Buch ein faszinierender Streifzug durch ein vom Film geprägtes Leben, der nicht nur Cineasten fesseln wird.

Einziges Manko sind die Bilder: es ist eine Fülle interessanter und oft kaum bekannter Aufnahmen und doch ein großes Ärgernis, denn fast alle sind so zur Unschärfe grob verpixelt, dass man Einzelheiten kaum erkennen kann.


# Dominik Graf: Sein oder Spielen. Über Filmschauspielerei; 391 Seiten, div. SW-Abb.; C. H. Beck, München;
€ 28 WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)