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MARKUS C. HUREK: „MARGOT FRIEDLÄNDER“
Margot Friedländer (1921-2025) hat das Erscheinen des letzten Buchprojekts um ihre Person nicht mehr erlebt, denn sie verstarb im Alter von 103 Jahren am 9. Mai dieses Jahres in ihrer Geburtsstadt Berlin.
Um so wertvoller ist diese stilvoll gestaltete Hommage an sie unter dem Titel „Margot Friedländer. Eine Stimme für das Leben“, die Markus C. Hurek jetzt herausgegeben hat. Der Politik-Chef des Nachrichtenmagazins FOKUS bereicherte das Erinnerungsbuch auch mit zahlreichen eindrucksvollen Schwarzweiß-Fotos der Geehrten, aber auch von anderen Motiven, die einen Bezug zu ihr haben.
Margot Friedländer, geborene Bendheim, überlebte die Schoah und zog nach der Befreiung in die USA. Im Alter von 88 Jahren kehrte sie in ihre Heimatstadt Berlin zurück und nannte dies die beste Entscheidung ihres Lebens. Doch die Frau, die ihre Mutter und ihren Bruder in Auschwitz verlor, genoss hier nicht etwa einen geruhsamen Ruhestand – sie engagierte sich.
Im Kapitel „Gedanken und Beiträge“ wird umrissen, wie sie sich durch unermüdliche Einsätze für Demokratie sowie gegen Antisemitismus, Rassismus und Ausgrenzung einsetzte. Die Frau mit der sanften und doch so eindringlichen Stimme erinnerte, sie klagte nicht an: „Ich bin zurückgekommen, um Euch die Hand zu reichen.“
Mit ihrer Botschaft für Versöhnung und Erinnerung wurde sie die bedeutendste Stimme der Holocaust-Überlebenden. Als „kleine, zarte Person mit den wachen Augen“ bezeichnet sie Igor Levit mit Wärme und voller Bewunderung im Vorwort des Buches. Der selbst aus einer jüdischen Familie stammende berühmte Pianist und politische Aktivist für Humanismus und gegen Diskriminierung begegnete mit Margot Friedländer im November 2023 erstmals selbst einer Zeitzeugin der Schoah.
Im 2. Kapitel erzählt Margot Friedländer im Gespräch mit Franziska Reiche, Chefredakteurin des FOKUS selbst von Lebensstationen. Wie ihr Bruder kurz vor der Flucht von der Gestapo aufgegriffen wurde und die Mutter sich dann stellte, um ihn nicht allein zu lassen. Woraufhin beide in Auschwitz ermordet wurden.
Margot Friedländer blieb 15 Monate im Untergrund, bis sie 1944 von einem der sogenannten „Greifer“ - Juden, die um des eigenen Überlebens willen Untergetauchte aufspürten und an die Gestapo verrieten – aufgegriffen und ins KZ Theresienstadt abtransportiert wurde. Dazu gibt es nicht nur einige beklemmende Schilderungen, was sie dort durchgemacht hat, sondern auch ein Foto des Stolpersteins mit dem so seltenen Vermerk über den Verbleib der damit gewürdigten Person: „Überlebt“.
Margot Friedländer schildert das alles mit schlichten Worten, die um so mehr ergreifen, weil man um die Konsequenzen weiß. Rabbi Sievers stellte zu ihrem zweiten Leben bei ihrer Beerdigung auf dem Friedhof der Jüdischen Gemeinde zu Berlin schließlich fest: „Sie war ein moralischer Kompass.“
Und zu all dem immer wieder die faszinierenden Fotos einer kleinen großen Frau, deren wichtigste Botschaft an alle immer wieder lautete: „Seid Menschen!“


# Markus C. Hurek (Hrsg.): Margot Friedländer. Eine Stimme für das Leben; 128 Seiten, div. SW-Abb.; Elisabeth-Sandmann Verlag, München; € 20
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)