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BERNHARD AICHNER: „JOHN“
Fünf Jahre ist es her, dass Yoko im gleichnamigen Thriller von Bernhard Aichner unentdeckt abtauchen konnte. Immerhin hatte die vom eigenen Vater sehr gut ausgebildete Metzgerin acht Leichen hinter sich gelassen, darunter gleich mehrere Mitglieder der chinesischen Mafia.
Nun die Fortsetzung mit der trotz des hohen Blutzolls sympathischen Heldin. Der Titel aber lautet diesmal „John“. Ihre Eltern waren einst solch große Lennon-Verehrer, dass sie nur deshalb Yoko getauft wurde, weil sie 'nur' als Mädchen geboren wurde. Was sie nun zur Tarnung mit Namenswechsel und kleidungsmäßigem Auftreten als junger Mann zu einem John machte.
Der auf einer kleinen griechischen Insel in der Ägäis in einem Bergdorf ein einfaches aber friedliches Leben als Aushilfe in einer alten Taverne führt. Wirtin Elena und ihr Sohn Stavros stellen keine neugierigen Fragen, dafür aber ein Zimmer. Und dann scheint ein Glücksfall hinzuzukommen, als eine Mittfünfzigerin aus Deutschland auftaucht.
Diese Ingrid hat auf der Insel ein großes Ferienhaus und stellt John für die Wintermonate, in denen sie abwesend ist, als Gärtner und für alles sonstige ein. Bis Ingrid ihre Maske fallen lässt und ein abartiges Hobby offenbart: den Hang zu „True Crime“.
Aufschlussreiche Briefkontakte zu Schwerkriminellen im Knast genügen ihr inzwischen längst nicht mehr und dann war im deutschen Fernsehen etwas für Yoko/John Fatales passiert: ihr alter, ungeklärter Fall wurde bei „xy-ungelöst“ ausgestrahlt und Ingrid hatte die Tarnung des jungen Mannes auf der Insel sofort durchschaut.
„Ingrid wollte Adrenalin“ und dafür zwingt sie John, sie zur ihrer Villa daheim zu begleiten – zwecks Aufträgen. Wie sich John auch dreht und wendet, es gibt Tote und es gibt nur einen Ausweg, er/sie muss erneut zur Jägerin werden, um als Gejagte zu überleben. Dazu gehört auch die Restlos-Beseitigung einer Leiche nach guter Metzgers-Art.
Doch natürlich wird das Alles nicht so gradlinig erzählt, sondern in einer raffinierten Dramaturgie voller Wechsel von Personen und Orten und immer neuen Überraschungen. Wobei John die schlimmste in der Inselabgeschiedenheit widerfährt und alles scheint am Ende.
Dort nämlich sitzt ihr plötzlich Kriminalhauptkommissarin Katrin Liebermann in der Taverne gegenüber, die sie damals nur verhören aber nicht festnageln konnte. Nun sind die Karten jedoch neu gemischt, denn Richard ist tot, der alte Kripobeamte und Freund ihres verstorbenen Vaters.
Er hatte Yoko damals ja entscheidend geholfen, entwischen zu können. Dummerweise hinterließ er bei seinem überraschenden Tod Tagebuchaufzeichnungen, die die Kollegin auf die Spur brachten. Zwischen ihr und John beginnt nun ein hinreißendes Katz- und Maus-Spiel von Fragen und Antworten, das zu einem rasanten Mix aus Wahrheit und Lüge wird.
Immer neue Verwicklungen Johns kommen dabei zutage, denn Ingrid hatte auch noch einen hasserfüllten Sohn, der nun selbst Johns spezielle Talente für seinen kriminellen Machenschaften erzwingt. Für ihn/sie besonders heikel: dieser Pierre ist von Beruf Polizist.
Einen aber hatte selbst John nicht mehr auf der Rechnung: Azad, den jungen Mann, den Yoko einst unter ihre Fittiche genommen hatte, und der dafür von den rachsüchtigen Chinesen an ihrer stelle ins Koma befördert worden war. Aus dem ist er nun wider Erwarten erwacht und er hat nie vergessen, wie gut Yoko zu ihm war.
Nach der Rettung aus schier ausweglosen Situationen scheint Johns Schicksal am Ende jedoch besiegelt. Zu clever erscheint Kommissarin Liebermann zu sein und zu viel zu wissen. Doch sie ist auch gierig...
Mehr sei von dem Thriller aber nicht verraten. Wie immer bei Bernhard Aichner ist das ebenso intelligent wie packend geschrieben und wenn hier auch etwas weniger Action als bei „Yoko“ vorkommt – um so exzellenter sind hier die Dialoge. Und natürlich ist auch „John“ wieder absolut filmreif.


# Bernhard Aichner: John; 316 Seiten; Wunderlich Verlag, Hamburg; € 24

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)