- Geschrieben von: Wolfgang A. Niemann
- Kategorie: Belletristik (Roman/Krimi)
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BRAM STOKER: „DAS GEHEIMNIS DER SEE“
Bei dem Namen Bram Stoker (1847-1912) denkt so ziemlich jeder automatisch an „Dracula“, eine der berühmtesten Gestalten der Weltliteratur. Dass dessen britischer Erfinder aber zu den Vielschreibern in Sachen viktorianischer Unterhaltungsliteratur zählte, ist zu Unrecht kaum bekannt.
Der Literaturwissenschaftler und Übersetzer Alexander Pechmann hat sich nun eines der großen Spannungsromane des Schriftstellers angenommen, der damit erstmals nach mittlerweile 123 Jahren auch auf Deutsch vorliegt. Und es sei vorweg gesagt: Vampire kommen darin nicht entferntesten vor.
„Das Geheimnis der See“ lautet der Titel und Ich-Erzähler ist der junge Rechtsanwalt Archibald Hunter. Der hat von der Rechtsprechung wenig Ahnung, kann von einem bescheidenen vermögen jedoch ganz gut leben. Zu Beginn des Romans kommt er zu einem Urlaub in die Cruden Bay an der nordöstlichen Küste Schottlands.
Dort trifft er auf die mysteriöse Gormala MacNeil und die hexhenhaft wirkende Alte hat nicht nur selbst das sogenannte Zweite gesicht, angeblich habe auch archie es. Als der tatsächlich Visionen eines tödlichen Unfalls hat, der umgehend eintrifft, verwirrt ihn das vorerst zutiefst.
Als er im nächsten Jahr erneut in den Küstenort reist – diesmal sogar, um sich dort ein Ferienhaus bauen zu lassen – geschehen gleich zwei schicksalhafte Ereignisse. Zunächst ersteigert er bei einer Auktion einen alten Koffer, in dem er geheimnisvoll verschlüsselte, sehr alte Briefe findet.
Dann aber hat er erneut die Vision einer drohenden Katastrophe und – er entdeckt zwei Damen, die auf einem Felsen vor der Küste gestrandet sind. Es gelingt, die ältliche Mrs Jack und ihre bemerkenswert schöne Begleiterin aus der lebensgefährlichen Lage zu befreien. Und er verliebt sich sofort unsterblich in diese junge Amerikanerin namens Marjory.
Nach den Schauereinlagen nun also auch ein Liebesroman, wenngleich die Dame ihn erst einmal auf Abstand hält. Ihr Nachname jedoch lautet Drake und zurück in Aberdeen erfährt Archie von zwei Diplomaten, dass Marjory erstens eine echte Nachfahrin des englischen Seehelden Sir Francis Drake ist und zweitens, dass sie mit ihrem reichen Erbe der US-Marine sogar ein Kriegsschiff für den Spanisch-Amerikanischen Krieg von 1898 finanziert hat.
Es habe deshalb seitens Spaniens sogar Versuche eines Attentats auf sie gegeben, denen sie durch ihre Flucht nach Schottland aber zumindest vorerst entkommen war. Und zu dem bei der Entstehung des Romans auch sehr aktuellen Historienanteil des Romans gesellt sich nun aus spannende Weise ein Detektiv- und Abenteueranteil.
Die Briefe aus dem ersteigerten Koffer erweisen sich als rund 300 Jahre alt und deuten auf Verwicklungen aus der Zeit hin, als Sir Francis Drake 1588 die Spanische Armada vernichtete. Allerdings sind sie hermetisch verschlüsselt und erst Marjory findet heraus, dass es sich um den komplexen Bacon-Code handelt.
Und es gelingt mit ihrer Hilfe, das Geheminis der Briefe auszuschlü+sseln. Danach gibt es einen großen schatz und der scheint ausgerechnet hier in Cruden Bay in einer Felsenhöhle versteckt zu sein. Und dann taucht ein weiterer wichtiger Mitspieler auf mit einem ganz speziellen Interesse: Don Bernadino, ebenfalls ein Nachfahre aus wilden Zeiten, das aber auf der anderen Seite in Sachen Spanische Armada!
Da darf nun jedoch nur noch verraten werden, dass damit obendrein auch noch Verschwörerische in das fesselnde aber recht komplexe Gemenge dieses opulenten Romans einfließt. Die Vielfalt der Genres und die gewisse autobiografische Koketterie mit Held Archie machen das alles zu einem herrlich altmodisch erzählten Unterhaltungsgenuss.
Obendrein ist dieses nicht alltägliche Stück Literatur auch wegen seiner schönen bibliografischen Aufmachung inklusive Schuber ein Prachtexemplar für jedes anspruchsvolle Bücherregal.
# Bram Stoker: Das Geheimnis der See (Nachwort und übersetzt von Alexander Pechmann); 539 Seiten, im Schuber; marebuchverlag, Hamburg; € 48
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)
