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CHARMAINE WILKERSON: „BLACK CAKE“
Nach einem rätselhaften kurzen Prolog aus dem Jahr 1965 springt die Handlung in Kalifornien von 2018. Die Geschwister Byron und Benny treffen sich nach achtjähriger Funkstille aus traurigem Anlass beim Familienanwalt: Mutter Eleanore ist verstorben.
Damit beginnt „Black Cake. Alles, was uns verbindet“, der Debütroman von Charmaine Wilkerson. Dieser Kuchen ist eine karibische Nationalspeise und einen solchen hinterließ´die Verstorbene. Eleanore Bennett stammte von den Inseln – die Beschreibungen zielen deutlich auf Jamaika, wo die Autorin aufwuchs – die sie jedoch 1965 unter mysteriösen Umständen verließ.
Die größte Überraschung aber erleben die Geschwister nun bei dem Anwalt, denn der spielt ihnen ein Tonband vor, die letzte Botschaft der bereits schwer kranken Mutter. Und diese Geschichte hat es in sich, denn schon ihr Name war falsch: Mutter richtiger Name war Covey.
1965 hatte man diese Covey allerdings an einen lokalen Gangster verheiratet, der dann prompt bei der Hochzeitsfeier starb. Sie selbst, die jahrelang mit Freundin Etta das Langstreckenschwimmen im Meer und das Surfen betrieben hatte, flüchtete ins Meer, überlebte und schaffte es tatsächlich, unter neuer Identität nach Großbritannien zu entkommen.
Byron, der Meeresforscher in Kalifornien, und sein lesbische Schwester Benny, die sich nicht nur wegen ihrer Orientierung von der Familie entfremdet und sich eine Existenz in New York City aufgebaut hat, müssen einen weiteren schock verkraften: es gibt noch eine Schwester, von der sie bisher nichts wussten.
Was sich nun an Familiengeschichten über einen Zeitraum von über 50 Jahren entfaltet, wird in kurzen Kapiteln und aus immer wieder wechselnden Perspektiven einer Reihe von Personen erzählt. Das springt in den Zeiten und den Schauplätzen, wobei die Charaktere sich als durchweg interessante Persönlichkeiten erweisen.
Die Tonbandaufnahmen eröffnen so viele neue Erkenntnisse über diese Familie mit ihrem karibisch-chinesichen Hintergrund, dass die Geschwister irgendwann feststellen müssen, dass ganz vieles auf kolossalen Lügen aufgebaut ist.
Und diese Saga offeriert nicht nur Spielernaturen, Olympiaschwimmer, Verrat und gebrochene Liebesversprechen, sogar ein ungeklärter Mord ist unter den so komplexen Rückblicken. Doch auch Probleme wie der institutionelle Rassismus für nicht-weiße Einwanderer in Großbritannien in den 60er Jahren werden thematisiert.
Mutter Eleanore ist bei all dem eine Säule der Familie gewesen und zugleich bis zuletzt eine Frau voller Rätsel. Das alles verbindende Element aber bleibt der verlockende Black Cake bis hin zu den Lebensumständen der Nachfahren.
Fazit: nicht nur wegen des Eintauchens in die Besonderheiten der karibische-chinesischen Welt ist dieser Roman ein fesselnder Roman für Leser, die etwas Besonderes zu schätzen wissen.
# Chamraine Wilkerson: Black Cake. Alles, was uns verbindet (aus dem Amerikanischen von Britt Somann-Jung); 446 Seiten; S. Fischer Verlag, Frankfurt; € 24
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)