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COLIN HIGGINS: „HAROLD UND MAUDE“
„Harold Chasen stieg auf den Stuhl und legte sich die Schlinge um den Hals.“ Was für ein erster Satz für einen Roman, der zudem eine schräge Komödie eröffnet. Doch „Harold und Maude“ war ursprünglich ein Drehbuch, für das Autor Colin Higgins 1971 den Hollywood-Regisseur Hal Ashby gewinnen konnte.
Gemeinsam schufen sie eine anarchische Satire, die allerdings erst einmal floppte. Noch im selben Jahr aber und lange bevor „Harold und Maude“ mit Bud Cort und Ruth Gordon in den Titelrollen weltweit zu einem Kultfilm aufstieg,, schuf Higgins aus der Filmvorlage die gleichnamige Buchversion.
Die entwickelte ihren eigenen Charme, wie da der etwa 19-jährige Harold immer neue und immer skurrilere Suizid-Inszenierung hinlegt, um seine kontrollsüchtige und zugleich lieblose Mutter in ihrem upper class-Gehabe zu piesacken, das ist eine Klasse für sich. Wobei die krassen Überraschungen, die im Kino so manches wohlig erschrockenes Aufstöhnen auslösten, mangels plastischer Bilder weniger plakativ wirken.
Um so intensiver sind hier jedoch die ohnehin schon hinreißenden Chartaktere ausgeführt, egal, ob die dünkelhafte Mutter sich echauffiert oder Onkel Victor, der kriegsgeile einarmige Brigadegeneral sich von dem seltsamen Paar düpieren lässt. Und eben Maude, die hier noch mehr eigenwillige Tiefe erhält – nicht zuletzt dank ihrer schicksalhaften Vergangenheit.
Die Exzentrik mit Harolds Macken samt Jaguar-Leichenwagen in Kombination mit Maudes hippie-mäßigen Ausflügen, dazu diese Liebesgeschichte mit rund 60 Jahren Altersunterschied und all die anarchischen Ausflüge in Wort und Tat: das fasziniert mit Esprit und vor allem mit diesen noch heute so treffenden bösen Spitzen gegen den American Way of Life.
Ja, auch 54 Jahre nach dem ersten Erscheinen sorgt dieser kleine funkelnde Roman für Begeisterung, zumal er erfrischend neu übersetzt wurde. Und auch das kongeniale, sehr poetische Nachwort des Schweizer Musikers Faber trägt zum großen Lesevergnügen bei.


# Colin Higgins: Harold und Maude (aus dem Amerikansichen von Pociao und Roberto de Hollanda); 183 Seiten; Diogenes Verlag, Zürich; € 19
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)