- Geschrieben von: Wolfgang A. Niemann
- Kategorie: Belletristik (Roman/Krimi)
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JAIME BAYLY: „DIE GENIES“
Es gab ihn wirklich, jenen massiven Faustschlag ins Gesicht, mit dem der peruanische Schriftsteller Mario Vargas Llosa die langjährige enge Freundschaft zu seinem noch berühmteren kolumbianischen Kollegen Gabriel Garcia Márquez ein aller Öffentlichkeit ein drastisches Ende setzte.
„Das war das, was er Patricia angetan hat“, soll er an jenem Abend im Jahr 1976 in einem Kino in Mexiko-Stadt dazu geschrieen haben. Beide spätere Literatur-Nobelpreisträger aber lüfteten nie das Geheimnis des tatsächlichen Grunds dieser abrupten Tat.
Bekannt ist allerdings, dass beiden Autoren große Verehrer Fidel Castros waren. Während Garcia Márquez sogar eine dauerhafte Freundschaft mit ihm unterhielt, distanzierte sich Vargas Llosa entschieden, als sich der kubanische Präsident immer offensichtlicher zum Diktator entwickelte.
Nun aber hat der Schriftsteller Jaime Bayly die andere Vermutung, die einer Beziehungstat, aufgegriffen und daraus einen Roman geschaffen. „Die Genies“ lautet der Titel und der Peruaner lässt die politischen Haltungen der beiden Autoren ebenso in das bewegte Geschehen einfließen, wie viele sonstige Fakten beider Biografien.
Mehr noch als nur Literatur und Politik geht es bei ihm jedoch um Frauen und Sex und im Hintergrund um die frage, was als glücklich verheiratet geltende Garcia Márquez Ungebührliches mit Vargas Llosas Ehefrau Patricia gemacht haben könnte.
Dabei steht Vargas Llosa deutlich im Vordergrund und er taugt wahrlich als Romanfigur. Starrköpfig, aufbrausend und ein unablässiger Frauenverführer, hatte er mit knapp 19 seine 13 Jahre ältere Tante Julia erobert und zur Ehefrau gemacht. Nur um sie 1964 wegen seiner – deutlich jüngeren – Cousine Patricia zu verlassen.
Mit ihr als Ehefrau und Mutter seiner drei Kinder lebte er viele Jahre in der Nachbarschaft des bereits erfolgreichen Garcia Màrquez in Barcelona und sie pflegten eine innige Freundschaft. Bis er mitsamt der Familie in die peruanische Heimat zurückkehrte, weil das Leben dort erschwinglicher war.
Dummerweise begegnete ihm auf der Schiffsreise die junge, ebenso verführerische wie zugängliche Susana. Und der heißblütige Schriftsteller erlag ihrem Charme im Nu und eröffnete der nichtsahnenden Patricia zum Ende der Reise, dass er sich wegen des Models von ihr scheiden lassen wolle.
Doch dieser Roman dreht sich natürlich auch um das Schaffen und das Miteinander der beiden späteren Jahrhundertschriftsteller. Die einerseits beide von der führungsstarken Agentin Carmen Balcells sehr erfolgreich gemanagt wurden, sich andererseits aber auch als köstliche lateinamerikanische Gockel gebärden.
Da wogt das Geschehen lebensprall und irgendwie unbekümmert und herzhaft hin und her, zugleich gibt es spannende Einblicke in die literarische Welt, in der die beiden aufblühen. Zuweilen wird das Ganze sogar recht kolportagehaft und es bleibt offen, viel wirklich authentisch ist und wie viel Fiktion.
Auf jeden Fall wird bis zuletzt über den wahren Grund für das gewaltsame Ende der Freundschaft gemunkelt und die sinnenfrohe Hommage an die beiden genialen Köpfe – aber auch an die starke Patricia – gibt zwar eine Antwort. Die aber ist so fantasievoll nah an den realen Ereignissen oder auch nicht, wie der gesamte höchst unterhaltsame Roman.
# Jaime Bayly: Die Genies (aus dem Spanischen von Willi Zurbrüggen); 335 Seiten; dtv Verlag, München: € 24
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)
