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RALF GÜNTHER: „DIE KÖNIGE VON BABELSBERG“
Am 25. September 1920 kam Elisabeth Rosenthal, Ehefrau des steil aufgestiegenen Filmemacher Fritz Lang, unter sehr mysteriösen Umständen ums Leben. Offenbar im Beisein des Gatten, den sie in flagranti mit der ebenfalls bereits sehr berühmten Drehbuchautorin Thea von Harbou überrascht hatte.
Selbstmord, Unfall oder gar Mord? Der Fall ist nie aufgeklärt worden, nicht zuletzt weil höhere Kreise kein Interesse daran hatten, dass diese Glanzlichter der florierenden frühen Filmmetropole vor Gericht kamen und das mit ungewissen Folgen.
Schriftsteller und Drehbuchautor Ralf Günther aber war von der Skandalgeschichte aus den wilden gesellschaftlichen Zeiten im brodelnden Nachkriegs-.Berlin so fasziniert, dass er daraus jetzt eine Art historischen Krimi gemacht hat und der Titel heißt denn auch passend „Die Könige von Babelsberg – Fritz Lang und die Akte Rosenthal“.
Und wie unantastbare Majestätten verhielten sich Lang und von Harbou wahrlich, als Kommissar Walter Beneken die beiden im Präsidium zu den Vorgängen in der schicksalhaften Nacht befragte. Der junge Kripobeamte galt als ausgesprichen clever und hartnäckig, hat allerdings ein Manko wegen seines jungenhaften Aussehens.
Die beiden stars gebärden sich voller Dünkel und gehen dabei mit den Schilderungen der Tatnacht um, als wäre es ein Filmdrehbuch. Beneken aber spürt nicht nur die immer wieder wechselnden Versionen. Die wesentliche Darstellung würde auf einen Suizid schließen lassen – wären da nicht Verletzungen und Spuren, die ganz andere Schlüsse nahelegen.
Doch Beneken stößt nicht nur bei den von hinreißender Arroganz geprägten vibrierenden Verhörduellen auf glatte Fassaden, „von oben“ gibt es sehr bald Druck, pfleglich mit den Verdächtigen umzugehen. Ganz unverblümt wird die Selbstmordthese gewünscht, egal, wob gravierende Beweise dagegen sprechen.
Das Katzbuckeln vor den Glamour-Größen beißt sich mit dem Sinn für Recht und Gesetz, den Beneken vehement durchzusetzen versucht. Doch auch bei ihm schimmert allmählich eine schwache Seite auf, Neigungen, die sich ganz schlecht mit der Karriere eines Kriminalbeamten vereinbaren lassen. Da verspürt er zunehmend den Drang, sich Seidenstrümpfe zu kaufen und sich nächstens ins frvole Treiben von Babylon Berlin zu stürzen.
Während Beneken tagsüber weiterhin versucht, Lang und von Harbou eines Verbrechens zu überführen, gleitet er immer mehr selbst in obskure Etablissements und sogar in Travestie-Kreise ab. Bis er als „Marleneken“ sogar zur erfolgreichen Strip-Tänzerin avanciert – und entsprechend erpressbar wird.
Immer spannender entfaltet sich die absolut filmreife Geschichte mit eindrucksvollen Szenen. Die Charaktere schillern und die Dialoge sind ein Genuss. Ralf Günther hat die histroische Vorlage glanzend ausgereizt und zu fügt über die Tatsachen ein erhellendes Nachwort hinzu.
# Ralf Günther: Die Könige von Babelsberg – Fritz Lang und die Akte Rosenthal; 269 Seiten; Rowohlt Kindler, Hamburg; € 24

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)