- Geschrieben von: Wolfgang A. Niemann
- Kategorie: Belletristik (Roman/Krimi)
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SOPHIE HOPPER: „MISS TAYLOR, DAS WASSER UND DIE LIEBE“
Im Frühjahr 1950 wird die wahre Identität der menschenscheuen Milla Taylor aufgedeckt. Seit zwei Jahren war die 26-Jährige zufrieden Nachtwächterin im Museum für orientalische Geschichte und Archäologie in Cambridge gewesen.
Als ein Reporter aufdeckt, dass sie die Tochter von Humphrey van Nissen ist, einem der großen Mitverursacher der Weltwirtschaftskrise von 1929, verliert sie ihre Anstellung. Doch in der Nachkriegszeit sind im wirtschaftlich gebeutelten Großbritannien Jobs Mangelware. Um so schlimmer, dass Milla nicht nur Vollwaise sondern auch Legasthenikerin ist, was damals sogar als Hirnschaden galt.
Mit dieser Misere beginnt Sophie Hoppers Roman „Miss Taylor, das wasser und die Liebe“. Milla, die schon als Schülerin kratzbürstig war und am meisten Stille und das Alleinsein schätzt, wird dann zu Silvester vom einzigen Freund Jack zu einer Party auf einen vornehmen Landsitz geschleppt.
Wo sich bald abkapselt und ausgerechnet beim Bruder des Hausherrn landet, Montgomery Chester. „Schon an guten Tagen hasste sie es in Gesellschaft von mehr als zwei Menschen gleichzeitig zu sein“ - dieser Monty nun ist da ein absoluter Bruder im Geiste.
Weshalb er besonders verbittert ist, nachdem er wegen eines Unfalls seiner einzigen Leidenschaft nicht mehr nachgehen kann, dem Tauchen. Die stille, die Abgeschiedenheit, die Klarheit, das sei ein wunderbare Art des Seins. Und Monty überredet Milla, in seinen geliebten Taucheranzug samt Helm zu steigen.
Als sie damit in den kleinen See auf dem Landsitz steigt, erlebt die Faszination pur. Der nicht nur der Hauch einer zwischenmenschlichen Anziehung zwischen ihr und Monty folgt, sondern durch Jack kurz darauf eine besonders glückliche Fügung.
Er hat die Suchanzeige der Archäologin Katherine Lawson entdeckt, die auf der mexikanischen Halbinsel Yucatan nach Maya-Schätzen suchen will. Sie hat dabei einen ausgesprochen feministischen Ansatz, denn nur Frauen sollen sie begleiten, nachdem diese noch immer von wissenschaftlichen Expeditionen ausgeschlossen werden.
Milla mit ihrem Analphabetentum rutscht allerdings nur dank ihres exzellenten Zeichentalents und des überragenden Gedächtnisses in die Gruppe. Doch ausgerechnet sie ist es schließlich, die mit wagemutigen Tauchgängen in einem der vielen cenote – jene teils riesengroßen unterirdischen Wasserhöhlen auf Yucatan – auf Opfergaben der Maya stößt.
Auch der weitere nicht eben gradlinige Weg Millas bis zur anerkannten Unterwasserarchäologin folgt hier in fiktionalisierter Form der Vita von Honor Frost (1917-2010). Diese Britin hatte ein teils vergleichbares Schicksal und wurde zur Pionierin als Berufstaucherin, die so manches antike Schiffswrack und andere versunkene Altertümer erkundete.
Der Weg Millas ist ungekünstelt und ebenso präzise wie bildhaft geschrieben. Ein spannendes Lesevergnügen vor allem für weibliche Leser.
# Sophie Hopper: Miss Taylor, das Wasser und die Liebe; 432 Seiten; Heyne Verlag, München; € 22
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)
