- Geschrieben von: Wolfgang A. Niemann
- Kategorie: Biografien
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FRANZ-JOSEF BRÜGGEMEIER: „MARGARET THATCHER“
Sie wurde glühend verehrt und war in weiten Bevölkerungskreisen verhasst: kaum eine Spitzenpolitikerin war je so erfolgreich aber auch kontrovers wie Margaret Thatcher. Zum 100. Geburtsjahr hat nun Franz-Josef Brüggemeier die erste umfassende deutsche Biografie über ihre Vita vorgelegt.
„Margaret Thatcher. Die Eiserne Lady“ lautet der Titel und Brüggemeier, Professor emeritus mit den Forschungsschwerpunkten der deutschen und britischen Geschichte des 19. und 20. Jahrhundert konnte zumindest für den öffentlichen Part des Lebens von Margaret Thater, geborene Roberts (1925-2013) auf eine ausführliche Quellenlage zurückgreifen.
Doch dazu, wie es der Krämertochter aus der Kleinstadt Grantham, Lincolnshire, gelang, bis ins höchste Amt des Vereinigten Königreichs aufzusteigen und die Macht als Vorkämpferin einer neoliberalen Wirtschaftspolitik elfeinhalb Jahre zu halten, gehören auch die frühen Jahre ihrer Persönlichkeitsbildung.
Kindheit und Jugend wurden maßgeblich geprägt durch den Vater, denn der Krämer in bescheidenen Verhältnissen führte als Methodist ein strenges Regiment, das von viel Kirchenarbeit aber sehr wenig normalen Lebensfreuden ausgefüllt war.
Die Schilderungen dieser Jugend lassen ahnen, warum die intelligente und sehr ehrgeizige Tochter da von klein auf ein klares Bild von Gut und Böse entwickelte, in dem es keine Nuancen gab. Oder wie sie selbst später bekannte, dass sie keine Politikerin für Kompromisse sei sondern für ihre Überzeugungen einstehe.
Und Biograf Brüggemeier stellt fest: „Sie selbst befasste sich kaum und schon gar nicht kritisch mit der eigenen Person, ihrer Karriere oder ihren Überzeugungen.“ Ihre später so gefürchtete Überheblichkeit und Arroganz entwickelten sich ebenso früh wie der Hang zur Rechthaberei.
Auch als sie ihrem engstirnigen Elternhaus entkommen war und in Oxford Chemie studierte, blieb ihre gesamte Haltung erzkonservativ. In einer seltsamen Mischung engagierte sie sich einerseits in der Kirchenarbeit bis hin zum Predigen, während sie andererseits der Oxford University Conservative Association (OUCA) beitrat.
Doch obwohl sie durchaus hübsch war, ist das vernichtende Urteil von Kommilitonen überliefert, sie sei eine humorlose Maus, die nicht genug Stil besaß, um ihre Herkunft zu überspielen. Zugleich ist die erstaunliche Aussage von ihr Fakt, dass sie bereits mit 19 Jahren den Beschluss äußerte, Politikerin werden zu wollen.
Tatsächlich trat sie bereits 1950 als Kandidatin der Tories im Wahlkreis Dartford nahe London an. Zwar konnte sie den eisernen Labour-Wahlkreis nicht erobern, aber sie machte eine entscheidende Bekanntschaft, die die eine führ ihre Karriere kennzeichnende Eigenschaft deutlich macht: glückliche Zufälle und das sofortige Nutzen sich daraus ergebender Chancen.
Im Wahlkampf lernte sei den geschiedenen, zehn Jahre älteren Geschäftsmann Denis Thatcher kennen. Er war bereit für eine Ehe mit einer Frau mit politischen Ambitionen. Und diese Ehe beförderte die zielstrebige junge Frau in die Oberschicht und in wirtschaftliche Verhältnisse, die es erlaubten, sich ohne den ungeliebten Job als Chemikerin voll auf die politische Karriere konzentrieren zu können.
Und nun entfaltet sich, was Franz-Josef Brüggemeier in einem Satz skizziert, der Margaret Thatcher trefflich knapp beschreibt: „Sie war eine Politikerin der Rekorde, positive wie negative.“ Schon als sie 1959 erstmals ins Unterhaus gewählt wird, sorgt sie mit viel Chuzpe als Neuling für die Durchsetzung eines Gesetzes. Als Anfang 1974 der Tory-Vorsitzende Edward Heath strauchelt, beerbte sie ihn einem überraschenden Coup.
Als erste Frau in dieser mächtigen Position teilt sie auch international aus der Opposition heraus kräftig aus. Und wird prompt 1976 von den scharf angegangenen Sowjets als „Eiserne Lady“ verurteilt. Sie aber ist clever genug, diesen vermeintlichen Affront sofort für als eine Art Markenzeichen für sich aufzunehmen.
Als solche stürmt sie bei den Unterhauswahlen 1979 mit einem fulminanter Wahlsieg als erste Frau zur Premierministerin und das für sensationelle elfeinhalb Jahre. Wie sie als Aufräumerin ihre neoliberalen Vorstellungen knallhart durchpeitschte und dabei unter anderem die mächtigen Gewerkschaften weitgehend zahnlos machte, wie sie als Pro-Europäerin (die Brexit-Anhänger berufen sich zu Unrecht auf sie!) in Brüssel mit dem schrillen Schlachtruf „Give me my Money back!“ einen Beitragsrabatt erkämpfte, das machte sie zu am heftigsten umjubelten und verhassten Politikerin ihrer Zeit.
Zugleich wird deutlich, wie dieser Workaholic, der mit fünf Stunden Schlaf am Tag auskam, sich zu ihrem Nachteil veränderte. Undiplomatisch nicht nur angesichts der globalen Wende von 1989 – wo ihr einerseits die mögliche Wiedervereinigung Deutschlands eine Schauervorstellung war, sie andererseits mit Bundeskanzler Helmut Kohl nichts anfangen konnte und Präsident Francois Mitterand sie gar nicht mochte – steuerte sie sich besonders innenpolitisch mit ihren Monologen, der Rechthaberei und dem verletzendem Verhalten selbst loyalsten Mitarbeitern gegen selbst ins Aus.
Da wurde schließlich selbst der Putsch der eigenen Parteifreunde im Herbst 1990 ein rekordverdächtiges Spektakel. Und edie zeitweilig mächtigste Politikerin der Welt, die im Übrigen nie ein Interesse an der Frauenbewegung oder der Förderung von Frauen hatte, erlebte durch die Männer um sie herum eine bittere Schmach. Die sie nie vergaß und auch nie verstand.
Fazit: eine sehr aufschlussreiche Biografie über eine Frau, deren private Seite so blass blieb, wie sie mutmaßlich auch wirklich war, die zugleich jedoch als eine der markantesten politischen Größen über mehr ein Jahrzehnt die Weltgeschichte mitprägte. Auch dank des Fakten- und Detailreichtums mit allen Qualitäten für ein Standardwerk zum Thema.
# Franz-Josef Brüggemeier: Margaret Thatcher. Die Eiserne Lady; 368 Seiten, div. SW-Abb.; C. H. Beck Verlag, München; € 32
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)
