- Geschrieben von: Wolfgang A. Niemann
- Kategorie: Biografien
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GUNILLA BUDDE: „JUTTA LIMBACH. EIN LEBEN FÜR DIE GERECHTIGKEIT“
Jutta Limbach (1934-2016) war nur 1,60 m groß, trug gern Blümchenkleider und pflegte einige originelle Macken. Und sie war acht Jahre lang die Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe. Damit ist die gebürtige Berlinerin eine der erfolgreichsten Frauen der jüngeren deutschen Geschichte.
Ihrem interessanten Lebensweg hat mit Professor Dr. Gunilla Budde gewissermaßen eine Schwester im Geiste unter dem Titel „Jutta Limbach. Ein Leben für die Gerechtigkeit“ eine umfassende Biografie gewidmet.
Die Autorin lehrt und forscht Deutsche und europäische Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts und sie hatte für dieses Werk den unschätzbaren Vorteil, dass sie das Familienarchiv Jutta Limbachs auswerten konnte. Was schon deshalb äußerst hilfreich für tiefere Einblicke war, als die berühmte Juristin ziemlich regelmäßig Tagebuch führte.
Limbach stammte aus einer über Generationen ur-sozialdemokratischen Familie. Als sie selbst mit dem Jura-Studium begann, war ihr Ziel ursprünglich, anschließend Journalistin zu werden. 1962 folgte sie nach bestandenem 2. Staatsexamen dann der Familientradition und trat in die SPD ein.
Und es begann eine Karriere, bei der sie immer wieder die erste Frau in der jeweiligen Funktion war, wie die Biografin lebendig und spannend schildert. So wurde sie 1972 die erste Professorin an 'ihrer' Freien Universität Berlin. Um 1989 in die Politik zu wechseln.
Walter Momper hatte überraschend die Wahlen gewonnen und er holte Jutta Limbach als Justiz-Senatorin in das sogenannte „Feminat“ seinen mit acht Frauen bestückten Senats. In ihrem Amt hatte die durchsetzungsfähige Politikerin mit der von der Presse gerühmten „feministisch getönten Herzlichkeit“ von Beginn an heikle Probleme zu regeln, so unter anderem den Umgang mit einsitzenden RAF-Häftlingen.
Nach nur fünf Jahren folgte der nächste Karriereschritt, nun nach ganz oben: 1994 wurde die Juristin mit dem SPD-Parteibuch ans höchste deutsche Gericht berufen, als Vizepräsidentin des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe.
Jutta Limbach Anliegen war nach eigenen Aussagen stets, die Bedeutung des Rechts für das echte Leben herauszustellen. Und dafür war sie die bestgeeignete Vertreterin am richtigen Ort. Zumal sie noch im selben Jahr Präsidenten des Gerichts wurde, erneut als erste Frau im Amt.
Unter ihrer Ägide bis 2002 fielen zahlreiche große Entscheidungen. Manche wurden kontrovers aufgenommen wie die Urteile zum Einsatz der Bundeswehr in Somalia oder zum Tucholsky-Zitat „Soldaten sind Mörder“. Jutta Limbach war eine hervorragende Rednerin, geistreich, witzig und stets bestens vorbereitet. Sie sorgte jedoch auch maßgeblich dafür, dass die Karlsruher Rechtsprechung für die Öffentlichkeit verständlicher wurde.
Die Biografin geht auch auf den Familienmenschen Limbach ein – sie war verheiratet und Mutter dreier Kinder – sondern auch auf die Zeit nach Karlsruhe. Anfangs wurde sie als eine mögliche Nachfolgerin für Bundespräsident Johannes Rau gehandelt. Doch da standen nicht nur typische politische Ränke im Weg – Jutta Limbach war gar nicht versessen darauf, nun auch noch als erste Frau ins höchste Staatsamt gewählt zu werden.
Gunilla Budde macht hier unmissverständlich klar, dass Jutta Limbach ihre Karlsruher Zeit als die Krönung ihrer Laufbahn ansah. Das noch höhere Amt war nichts, dem sie wirklich nacheiferte. Auch diese Haltung zum „Limbach-Stil“, den die Biografien nicht nur für den Umgang mit ihren Mitarbeitern immer wieder herausstellt.
Fazit: eine ebenso umfassende wie fundierte Biografie zu einer hochinteressanten verdienten Frau, deren Vita in spannende Zeiten deutscher Geschichte eingebettet war und diese prägend begleitet hat.
# Gunilla Budde: Jutta Limbach. Ein Leben für die Gerechtigkeit; 331 Seiten, div. SW-Abb.; C. H. Beck Verlag, München; € 29,90
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)
