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NINA SCHEDLMAYER: „HITLERS QUEERE KÜNSTLERIN“
Stephanie Hollenstein (1886-1944) war keine herausragende Malerin, aber ganz gewiss eine der ungewöhnlichsten. Aus ärmlichen Verhältnisse stammend, lesbisch und später – glühende Hitler-Verehrerin.
Die österreichische Kunsthistorikerin Nina Schedlmayer überschreibt ihre Biografie über die Frau aus Lustenau mit „Hitlers quere Künstlerin. Stephanie Hollenstein, Malerin und Soldat“. Aus einer einfachen Bauernfamilie in Vorarlberg kommend, war eine Künstlerinnenkarriere für sie noch unwahrscheinlicher als für Frauen generell in diesen Zeiten, da die Kunsthochschulen gänzlich den Männern vorbehalten waren.
Schon beim Kühehüten jedoch hatte sie mit dem Malen begonnen und sie kämpfte sich 1910 tatsächlich durch zum Studium in München. Hier erlebte sie nicht nur das Kunstschaffen mit dem eben aufkommenden „Blauen Reiter“, sie genießt auch die sexuellen Freiheiten mit etlichen Partnerinnen.
In einer Zeit, in der in ihrer österreichischen Heimat dergleichen noch unter Strafe stand und auch in Deutschland zumindest verpönt war. Dabei ist sie der Typ „kesser Vater“ und spätestens ab 1915 tritt sie nur noch mit Kurzhaarschnitt und in Anzügen auf. Ihre Gratwanderung geht sogar ins Skurrile, als sie sich im selben Jahr als „Stephan Hollenstein“ als Soldat ins österreichisch-ungarische Heer einschleicht.
Als sie aufflog, durfte sie immerhin als Kriegsmalerin weitermachen und war dabei ausgesprochen erfolgreich. Doch bereits ab 1917 sind von der Expressionistin auch erste völkisch-rassistische Notierungen überliefert. Und das waren keine harmlosen Gedankenlosigkeiten, wie zahlreiche spätere Schriftstücke von ihr belegen.
Stephanie Hollenstein ätzt nicht nur über jüdische Umtriebe, die offen in einer homosexuellen Beziehung lebende Künstlerin tritt bereits 1934 in die zu der Zeit in Österreich noch verbotene NSDAP ein. Während sie in den 20er Jahren allerhand Erfolge mit ihren Werken erzielte, stieg sie nach dem Anschluss Österreichs ans Deutsche Reich 1938 sogar zur Präsidentin des VBKÖ (Vereinigung bildender Künstlerinnen Österreichs) bzw. deren Nachfolgeorganisation auf.
Längst hatte sie ihre einstigen jüdischen Förderer aus den frühen Jahren vergessen und verleugnet, während sie sich andererseits öffentlich in triefender Hitler-Verehrung erging. Und Nina Schedlmayer, ausgewiesene Kennerin der Kunst im Nationalsozialismus, belegt all dies offen zur Bewertung durch den Leser.
Es wird offensichtlich, dass Stephanie Hollenstein kein naiver Schwarmgeist und auch nicht aus Karrieregründen in dieses Fahrwasser geraten war, sondern mit voller Überzeugung. Fazit: eine spannend zu lesende Vita einer Künstlerin, an der so ziemlich alles außerhalb der Normen war.


# Nina Schedlmayer: Hitlers queere Künstlerin. Stephanie Hollenstein, Malerin und Soldat; 301 Seiten, div. Abb.; Zsolnay Verlag, Wien; € 28
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)