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LAKOTTA/SCHELS: „trans* - DON'T JUDGE MY JOURNEY“
Was passiert, wenn jemand spätestens in der Pubertät spürt, dass die Natur einen Fehler gemacht hat – dass man im biologisch falschen Körper geboren wurde?!
Es beginnt ein Leidensweg, auch wenn wissenschaftlich feststeht: trans zu sein ist keine Behinderung oder Krankheit. Vor allem aber sollte eines jedem bewusst sein – trans zu sein ist keine Wahl.
Was es jedoch heißt, sich eines Tages bewusst zu werden, dass man als Mädchen oder Junge im Körper des jeweils anderen Geschlechts steckt, dazu haben die Journalistin Beate Lakotta und der Fotograf Walter Schels nun das Buch einer Langzeitbegleitung vorgelegt.
„trans* - Don't judge my Journey“ ist es überschrieben und das vielfach ausgezeichnete Autorenehepaar hat darin festgehalten, was ihnen 21 Jugendliche während des Projektlaufs seit dem Jahr 2013 über ihre Erfahrungen geschildert haben.
Herausgekommen ist dabei eine einzigartige Collage an sehr offenen und auch intimen Äußerungen, begleitet von einer Fülle von Fotos, die die jungen Menschen in vielen verschiedenen Lebens- bzw. Entwicklungsphasen zeigen. Eines sei dabei vorweggeschickt, es geht hier nicht um die sexuelle Orientierung der Betroffenen: „Es geht um Identität.“
Die jüngsten Teilnehmer waren um die 13 Jahre alt, als ihnen ihre Gefangenschaft im falschen Körper bewusst wurde. Viele aber haben das „Anderssein“ schon im Kindesalter verspürt oder auch schon gelebt, wenn sie z.B. lieber mit Puppen als mit Autos gespielt oder lieber mit den Jungs gebolzt als sich schöne Kleidchen angezogen haben.
Durchweg schwierig wurde das – meist unfreiwillige – Outing und kaum einer der Jugendlichen erlebte nicht intensives Mobbing besonders in der Schule. Nicht von ungefähr ist die Suizidgefahr in diesem Personenkreis sechs mal höher als bei „normalen“ Teenagern.
Da können die hier Porträtierten im Übrigen noch froh sein, in Deutschland zu leben, das in Sachen Transsexualität relativ liberal ist und in den letzten Jahren auch fortschrittliche Gesetzesänderungen vollzogen hat.
Jedes Interview ist anders, wie auch jedes Einzelschicksal seine eigene Geschichte erzählt. Deutlich wird jedoch, dass das Trans-Sein unweigerlich mit existentiellem Leid gekoppelt ist und es sich kein Betroffener leicht macht, den Weg zur Transition zu gehen.
Pubertätsblocker, Hormonspritzen, Operationen zur Geschlechtsanpassung und all die Beratungen und die Zeit, die der Weg ins Leben mit der richtigen Identität in Anspruch nimmt – das alles ist ein komplexes und sehr belastendes Unterfangen, das niemand ohne wirkliche Not auf sich nimmt. Und bei dem gerade Verständnis und Unterstützung von Eltern und Geschwistern ungemein wichtig sind.
Um so wertvoller ist dieser Wegweiser einerseits mit seinen exemplarischen Fällen, einem Glossar zu wichtigen Begriffen sowie Beratungshinweisen im Anhang für andere Betroffene. Andererseits erfüllt dieses Buch die wichtige Aufgabe in Sachen Verstehen und Vorurteilsbekämpfung in Sachen „trans“ in hervorragender Weise. Deshalb gilt hier als Beurteilung unbedingt das Prädikat „besonders wertvoll“.


# Beate Lakotta/Walter Schels: trans* - Don't judge my Journey; 208 Seiten, div. Abb., Klappenbroschur; Planet! Im Thienemann Verlag, Stuttgart; € 18
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)