0093bayart

MICKE BAYART: „ALS PIPPI NACH DEUTSCHLAND KAM“
„Das Buch über Pippi Langstrumpf, niedergeschrieben auf Wunsch meiner Tochter Karin von ihrer Mutter.“ Das schrieb Astrid Lindgren in das Manuskript, das sie dem Mädchen im Mai 1944 zum zehnten Geburtstag schenkte.
Wie daraus ein Kinderbuchklassiker wurde, der vor nunmehr 80 Jahren erstmals in den Buchhandel kam und später ein Welterfolg wurde, davon erzählt der deutsch-schwedische Autor Micke Bayart in seinem Sachbuch „Als Pippi nach Deutschland kam“.
Das war durchaus nicht selbstverständlich, denn selbst in Schweden taten sich manche Leute schwer, eine solch selbstbewusste bis rebellische Göre als Hauptfigur verrückter Geschichten als Literatur für Kinder hinzunehmen. Um so größer war dann die Skepsis der deutschen Erwachsenen gegenüber so viel Aufmüpfigkeit in einem Kinderbuch.
Die hatte auch für die Ablehnung bei etlichen deutschen Verlagen geführt, bis Kleinverleger Friedrich Oetinger in Stockholm nach neuen Stoffen suchte und auf Astrid Lindgren stieß. Als er dann im November 1949 den ersten Pippi-Langstrumpf-Band veröffentlichte, war darin bei der Übersetzung so mancher Wortwitz und einiges an frecher Komik für die braven Nachkriegskinder „geglättet“ worden.
Der Erfolg von Band 1 mit 207 Seiten für 2,80 DM war gleichwohl überwältigend und der Siegeszug Pippis erbrachte allein in Deutschland bis heute schon über acht Millionen verkaufter Bücher. Dieser rasante Wirbelwind für die Kinderstuben war dabei bis 1975 allerdings den westdeutschen Lesern vorbehalten.
Die DDR-Kulturpäpste taten sich auch dann schwer mit so viel anarchischem Gedankengut, zumal die längst weltweit erfolgreiche Astrid Lindgren sich Kürzungen und fast sämtliche Änderungen verbeten hatte. Auch hierzu hat Autor Mickel Bayart viele aufschlussreiche Briefwechsel wie auch Originalstimmen von damals in die Kapitel gebracht.
Ganz viel erfährt man über die Entstehungsgeschichte von Pippi Langstrumpf bis hin zu Sonja Mellin, dem leibhaftigen Vorbild für die ungebärdige Göre: auf einem Kindergeburtstag war sie ähnlich frech und anarchisch und knallrote Haare hatte sie obendrein.
Und natürlich darf auch ein Kapitel über Inger Nilsson nicht fehlen, jene Schauspielerin, die in den 60er Jahren in einzigartiger Weise Pippi Langstrumpf im Film verkörperte. Auch hierzu steuert der Autor Anekdoten bei und man erfährt neben manche Bekanntem durchaus auch Neues.
Fazit: eine liebevolle Hommage an eine ikonische Kinderbuchfigur, die noch heute ihr herrliches Unwesen treibt. Das ist dann sowohl für junge Leser ab etwa 12 Jahre wie auch für alle die Generationen Erwachsener interessant, die mit Pippi Langstrumpf aufgewachsen und vielleicht sogar ein wenig geprägt worden sind.


# Micke Bayart: Als Pippi nach Deutschland kam; 255 Seiten, div. Abb.; Oetinger Verlag, Hamburg; € 20
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)