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KARL BANGHARD: „DIE WAHRE GESCHICHTE DER GERMANEN“
„Wer Arminius, den Helden der Varusschlacht als einen Deutschen bezeichnet hätte, hätte dafür von ihm wohl eine aufs Maul bekommen.“ Das erklärt Karl Banghard zu den unausrottbaren Verklärungen der Germanen und ihres Triumphs über das Römische Reich.
Dazu hat der Prähistoriker und Direktor des Archäologischen Freilichtmuseums Oerlinghausen im Teutoburger Wald jetzt eine umfassende Untersuchung vorgelegt. Entstanden ist darauf „Die wahre Geschichte der Germanen“, populärwissenschaftlich geschrieben, das aber fundiert auf dem neuesten stand der Forschung.
Waren die Germanen Met saufende Barbaren, ziemlich kulturlos und mit ihrer Scholle verbunden, als Krieger jedoch wilde Berserker? So gut wie nichts davon entspricht den Tatsachen und nicht einmal die Bezeichnung “die Germanen“ ist korrekt. Er kam erst durch Caesars berühmte Niederschrift „De bello gallico“ (52 v.Chr.) auf und es war Tacitus, der diesen Sammelbegriff rund 150 Jahre später für jene Bewohner östlich des Rheins endgültig für die Geschichtsschreibung zementierte. Die wurde also bis in die Gegenwart römisch geprägt – samt ihren viele Verfälschungen.
„Germania“ also eine römische Erfindung für ein Volk, das es so nie gegeben hat. Und was ihm 19. Jahrhundert von völkischen Patrioten daraus als Urquell des Deutschtums und der deutschen Nation (die erste derartige entstand erst mit der Reichsgründung von 1871!) unterliegt noch mehr Mythen, Verklärungen und Geschichtsklitterungen.
Der Begriff „germanisch“ stellt sich als gänzlich ungeschichtlich heraus, denn es gab in dem von den Römern so dargestellten Raum eine Vielzahl verschiedener Stämme, die nicht einmal eine gemeinsame Sprache und auch nur wenige kulturelle Gemeinsamkeiten hatten.
Und es wird Deutschtümler schmerzen zu hören, dass wissenschaftlich erwiesen keine biologische Definition der Germanen existiert: es gibt kein Germanen-Gen! Und auch der heroisierte Feldherr Arminius war weder ein „Hermann“ noch ein „Germane“ sondern ein Cherusker, der in römischen Diensten bis in die Oberschicht aufgestiegen war.
So schreibt der Autor denn auch von „germanischen Gruppen“, die sich bei Bedarf zu kriegerischen Allianzen – eben gegen die römischen Invasoren – auf Zeit veranden. Da gab es im Übrigen neben etlichen Scharmützeln gleich mehrere große Schlachten und die von der römischen Geschichtsschreibung zur Legende hochstilisierte Varusschlacht im Jahr 9 n.Chr. war vermutlich nicht einmal wirklich die größte von ihnen.
Doch Karl Banghard widmet sich ohnehin weit mehr als nur diesem überhöhten Geschichtsdatum. Er schildert das vielfältige Leben der „germanischen“ Völker, ihre Wanderungen, ihre nicht wirklich primitive Kultur und vieles mehr.
Fazit: das sehr unterhaltsam verfasste Buch räumt mit vielen Irrtümern und Fehleinschätzungen der Geschichtsschreibung über ein großes, sinnstiftendes Volk aus, das es so nie gegeben hat und doch als gestaltendes Phänomen von folgenreicher historischer Bedeutung war.


# Karl Banghard: Die wahre Geschichte der Germanen; 269 Seiten, div. Abb., Klappenbroschur; Propyläen Verlag, Berlin; € 22

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)